Quantcast
Channel: Individuum – anti-capitalism revisited
Viewing all 207 articles
Browse latest View live

Audio: „Djihadismus“–„Islamkritik“–„Islamophobie“

$
0
0

Ein Beitrag zur sogenannten „Islam-Debatte“ aus einer linksradikalen Perspektive

„Djihadisten sind Faschisten. Starke Aussage – aber gar nicht mal so weit hergeholt.“
Eine Sendung von Radio Corax Halle mit Auszügen aus einem Vortrag von            Lothar Galow-Bergemann, gehalten am 30. Januar 2015 in Halle auf der Diskussionsveranstaltung “I don’t like Mondays – Antifaschismus in Zeiten von Hogesa, Pegida, IS & Co“

Mehr zur Veranstaltung hier.

 


Pädagogik für Arier: Die Grundlagen der Waldorfschule

$
0
0

Steiner

Vortrag und Diskussion mit Peter Bierl                                                                        München, Journalist und Buchautor

Montag, 9. März, 19.30 Uhr, Stuttgart
Stadtteiltreff Veielbrunnen, Bad Cannstatt, Morlockstraße 18, 70372 Stuttgart

[Der Vortrag ist mittlerweile HIER anzuhören.]

Hautcreme für Babypopos von Weleda, biologisch-dynamische Karotten der Marke Demeter, Rudolf-Steiner-Brot im Naturkostladen und die Waldorfschule kennen viele, nicht aber die Weltanschauung, die dahinter steckt. Der Journalist Peter Bierl, Autor des Buches „Wurzelrassen, Erzengel und Volksgeister“ (Neuausgabe 2005), beschäftigt sich in seinem Vortrag mit der Anthroposophie und ihrem Gründer Rudolf Steiner. Der Mann, der sich als Hellseher präsentierte, von Anhängern als „Menschheitsführer“ und Wiedergeburt von Aristoteles verehrt wurde, war überzeugt, dass nur die „weiße Rasse“ am Geiste schafft, während Asiaten dekadent, Schwarze überhitzte Triebwesen und Juden einseitig intellektuell seien und zersetzend wirkten. Die Deutschen rechnete der Guru einer fünften Wurzelrasse der Arier zu, die Jahrtausende führend sein soll. In Steiners Welt spuken Engel und Dämonen, Volks- und Rassengeister, er mixte Versatzstücke aus Buddhismus, Hinduismus und Christentum mit darwinistischen Evolutionsvorstellungen und bürgerlichem Kulturpessimismus. Getreu ihrem Meister erklären Anthroposophen heute Tsunami und Reaktorkatastrophe in Fukushima als karmischen Ausgleich für einen angeblich besonderen Materialismus der Japaner. Solche bizarren Vorstellungen prägen die Waldorfschule, ihre ideologische Grundlage ist die Idee von Reinkarnation und Karma. Lehrer werden nach den Ideen Steiners ausgebildet. In einem Buch, das zur Unterrichtsvorbereitung empfohlen wurde, heißt es: „Der Keim zum Genie ist der arischen Rasse bereits in ihre atlantische Wiege gelegt worden.“

Eine Veranstaltung von Contain’t und Emanzipation und Frieden

 

Audio: Pädagogik für Arier. Die Grundlagen der Waldorfschule

$
0
0

Vortrag von Peter Bierl

gehalten am 9. März 2015 in Stuttgart

 

Hautcreme für Babypopos von Weleda, biologisch-dynamische Karotten der Marke Demeter, Rudolf-Steiner-Brot im Naturkostladen und die Waldorfschule kennen viele, nicht aber die Weltanschauung, die dahinter steckt. Der Journalist Peter Bierl, Autor des Buches „Wurzelrassen, Erzengel und Volksgeister“ (Neuausgabe 2005), beschäftigt sich in seinem Vortrag mit der Anthroposophie und ihrem Gründer Rudolf Steiner. Der Mann, der sich als Hellseher präsentierte, von Anhängern als „Menschheitsführer“ und Wiedergeburt von Aristoteles verehrt wurde, war überzeugt, dass nur die „weiße Rasse“ am Geiste schafft, während Asiaten dekadent, Schwarze überhitzte Triebwesen und Juden einseitig intellektuell seien und zersetzend wirkten. Die Deutschen rechnete der Guru einer fünften Wurzelrasse der Arier zu, die Jahrtausende führend sein soll. In Steiners Welt spuken Engel und Dämonen, Volks- und Rassengeister, er mixte Versatzstücke aus Buddhismus, Hinduismus und Christentum mit darwinistischen Evolutionsvorstellungen und bürgerlichem Kulturpessimismus. Getreu ihrem Meister erklären Anthroposophen heute Tsunami und Reaktorkatastrophe in Fukushima als karmischen Ausgleich für einen angeblich besonderen Materialismus der Japaner. Solche bizarren Vorstellungen prägen die Waldorfschule, ihre ideologische Grundlage ist die Idee von Reinkarnation und Karma. Lehrer werden nach den Ideen Steiners ausgebildet. In einem Buch, das zur Unterrichtsvorbereitung empfohlen wurde, heißt es: „Der Keim zum Genie ist der arischen Rasse bereits in ihre atlantische Wiege gelegt worden.“

Eine Veranstaltung von Contain’t und Emanzipation und Frieden

 

„Recht auf Stadt“ oder „Recht auf „Urbanität“?

$
0
0

Über „Urbanität“, „Provinzialität“ und „Bildung“

Vortrag und Diskussion mit Claus Baumann

Donnerstag, 9. April 2015, 19:30 Uhr, Stuttgart

Contain’t, Güterstr. 10, 70372 Stuttgart

Der Vortrag ist mittlerweile HIER zu hören.

Macht Stadtluft frei oder stinkt sie? Sie mache frei, behauptet der französische Philosoph Henri Lefebvre und fordert deshalb ein »Recht auf Stadt«. Damit verbindet er die Vorstellung eines Rechts nicht marginalisiert zu werden und nicht aus dem urbanen Raum verdrängt zu werden. Aber welche Vorteile bietet das städtische Leben? Theodor W. Adorno behauptet, dass die Bildung zur Mündigkeit notwendigerweise mit Urbanität zusammenhängt. Denn die Beschränkung von Bildung durch Provinzialität schränke zugleich die Möglichkeit von Emanzipation ein; im Extremfall stoßen sogar „die ländlichen Verhältnisse … ihre Enterbten in die Barbarei“.

In seinem Vortrag beleuchtet Claus Baumann den Zusammenhang von urbanem Leben und emanzipatorischer Bildung. Dabei werden auch Reprovinzialisierungstendenzen im städtischen Leben kritisch zur Sprache kommen, wie etwa die »Verkiezung« städtischer Bereiche zu sogenannten »Szenevierteln«.

Claus Baumann (*1967) ist Gesellschaftstheoretiker und umherschweifender Urbanismuskritiker, nebenbei auch Lehrbeauftragter für Philosophie an der Universität Stuttgart. Er promovierte 2009 in Philosophie zur Formbestimmung von Arbeit. Seine Arbeitsschwerpunkte sind Gesellschaftstheorie und Philosophie der Ästhetik. Ausgewählte Publikationen: Urbanität, Provinzialität und Bildung – Zu Theodor W. Adornos Reflexion von städtisch und ländlich geprägten Ausdrucksformen (2015); Recht und Unrecht – Anmerkungen zu Walter Benjamins „Kritik der Gewalt“ (2014); Philosophie der Praxis und die Praxis der Philosophie (Hrsg. mit Jan Müller und Ruwen Stricker 2014); Die Kunst der Avantgarde und ihr Verhältnis zum Klassenkampf – Walter Benjamins, Theodor W. Adornos und Guy Debords kritische Reflexionen der Kunst (2012). Kontakt: www.clausbaumann.de

Eine Veranstaltung von Contain’t  und Emanzipation und Frieden

Antiba – der Barbarei entgegentreten! Über Antifaschismus in Zeiten von Djihadismus und Pegida

$
0
0

Vortrag und Diskussion mit Lothar Galow-Bergemann

Montag, 30. März 2015, 19.00 Uhr, Hamburg                                                            Infoladen Hamburg-Wilhelmsburg

Der Vortrag ist mittlerweile HIER zu hören

Dienstag, 31. März 2015, 19.00 Uhr, Hannover                                                             Uni Hannover, Hauptgebäude                                                                                        Eine Veranstaltung von association [belle vie]

2014 explodierten Dumpfbackentum, Ressentiment und Barbarei: Antisemitische Massenaufmärsche verlangten „Tod den Juden!“ – Nazis, Islamisten und Linksreaktionäre marschierten vereint im Hass gegen den jüdischen Staat und in Solidarität mit seinen Todfeinden – Djihadisten drohten Andersgläubigen mit Macheten in der Hand, sie „hier genauso zu töten wie im Irak“ – Rechtsreaktionäre erzielten erschreckende Wahlerfolge und mit Pegida, Hogesa &Co mobilisierte ein rassistischer Mob gegen MuslimInnen und Flüchtlinge. Zu Beginn des neuen Jahres machten die djihadistischen Mordanschläge in Paris und Kopenhagen auf ein atheistisches Satiremagazin, eine Diskussionsveranstaltung zur Meinungsfreiheit, einen jüdischen Supermarkt und eine Synagoge klar: der Wahnsinn geht weiter.
Antifa, das ist ihr unschätzbares Verdienst, will in Zeiten, in denen leider keine Aussicht besteht, die Verhältnisse grundsätzlich zum Tanzen zu bringen, wenigstens den allerschlimmsten und barbarischsten Kräften in den Weg treten. So wichtig es bleibt, sich offenen Nazis entgegenzustellen – es liegt auf der Hand, dass der Kampf gegen sie allein nicht mehr ausreicht. Stiefel- und Nadelstreifennazis verbindet trotz des äußerlichen Gegensatzes im Kern eine enge Seelenverwandtschaft mit den Djihadisten. Wer um ein Minimum an Menschenwürde und um  Mindestvoraussetzungen für eine irgendwann vielleicht doch noch gelingende Emanzipation kämpfen will, muss sich der anschwellenden Front der Barbarei in all ihren Facetten entgegenstellen.
Vor welchen Herausforderungen theoretischer wie praktischer Art steht Antifaschismus heute? Wie hilfreich und wie problematisch ist dafür die so genannte „Islamdebatte“? Inwiefern können Begriffe wie „Islamismus“, „Islamophobie“ oder “Islamkritik“ dazu beitragen, die Problemlage zu erfassen? Warum ist eine konservativ-orthodoxe Interpretation der Religion in muslimischen Communities so stark präsent? Ist die Rede von „dem“ Islam zutreffend, der im Gegensatz zu „dem“ Christentum Humanität und Säkularität ausschließe?
Wie ist schließlich ein emanzipatorischer Anspruch inmitten einer zunehmend verrückter werdenden Umgebung aus moslemhassenden Sarrazindeutschen, tatsachenresistenten Linken, Nazis und Djihadisten zu formulieren? Und wie kann er praktisch werden?
Der Referent schreibt u.a. für Jungle World, Konkret & auf emmaundfritz.de

 

Audio: “Recht auf Stadt” oder “Recht auf “Urbanität”?

$
0
0

Über „Urbanität“, „Provinzialität“ und „Bildung“

Vortrag von Claus Baumann                                                                                     

gehalten am 9. April 2015 in Stuttgart

gesendet von Emanzipation und Frieden im Freien Radio für Stuttgart am 22. Mai 2015

Macht Stadtluft frei oder stinkt sie? Sie mache frei, behauptet der französische Philosoph Henri Lefebvre und fordert deshalb ein »Recht auf Stadt«. Damit verbindet er die Vorstellung eines Rechts nicht marginalisiert zu werden und nicht aus dem urbanen Raum verdrängt zu werden. Aber welche Vorteile bietet das städtische Leben? Theodor W. Adorno behauptet, dass die Bildung zur Mündigkeit notwendigerweise mit Urbanität zusammenhängt. Denn die Beschränkung von Bildung durch Provinzialität schränke zugleich die Möglichkeit von Emanzipation ein; im Extremfall stoßen sogar „die ländlichen Verhältnisse … ihre Enterbten in die Barbarei“.

In seinem Vortrag beleuchtet Claus Baumann den Zusammenhang von urbanem Leben und emanzipatorischer Bildung. Dabei werden auch Reprovinzialisierungstendenzen im städtischen Leben kritisch zur Sprache kommen, wie etwa die »Verkiezung« städtischer Bereiche zu sogenannten »Szenevierteln«.

Claus Baumann (*1967) ist Gesellschaftstheoretiker und umherschweifender Urbanismuskritiker, nebenbei auch Lehrbeauftragter für Philosophie an der Universität Stuttgart. Er promovierte 2009 in Philosophie zur Formbestimmung von Arbeit. Seine Arbeitsschwerpunkte sind Gesellschaftstheorie und Philosophie der Ästhetik. Ausgewählte Publikationen: Urbanität, Provinzialität und Bildung – Zu Theodor W. Adornos Reflexion von städtisch und ländlich geprägten Ausdrucksformen (2015); Recht und Unrecht – Anmerkungen zu Walter Benjamins „Kritik der Gewalt“ (2014); Philosophie der Praxis und die Praxis der Philosophie (Hrsg. mit Jan Müller und Ruwen Stricker 2014); Die Kunst der Avantgarde und ihr Verhältnis zum Klassenkampf – Walter Benjamins, Theodor W. Adornos und Guy Debords kritische Reflexionen der Kunst (2012). Kontakt: www.clausbaumann.de

Eine Veranstaltung von Contain’t  und Emanzipation und Frieden

Zum antitotalitären Protofaschismus der deutschen Mitte

$
0
0

von Jonas Bayer

Die bürgerliche Gesellschaft ist Meisterin im Konstruieren falscher Gegensätze. Sie polarisieren entlang konformistischer Grenzen und verunmöglichen eine denkbare dritte, radikal-kritische Position. Wo stehen sie, Frau und Herr Mustermann: Auf der Seite Deutschlands, oder auf der des Dschihadismus? Konsumieren sie wenig und bewusst, oder sind sie politisch desinteressiert? Befürworten sie die Austeritätspolitik, oder gehören sie zu den Europaskeptikern? Was bringt Wohlstand und Wachstum: Ein freier Markt, oder ein starker Staat? Der liberale Pluralismus, der den scheinbaren Gegensatz immerhin zulässt, negiert sich selbst: Je hegemonialer der Diskurs um eine solche scheinbare Dichotomie ist, desto schwieriger wird es, sich noch außerhalb derselben Gehör zu verschaffen. Der konstruierte Gegensatz dient dabei nie lediglich als Analyse, sondern vor allem der Mobilisierung: Freundlich gibt er zu verstehen, unter welchem Banner sich die Subjekte gegen eine Fremdgruppe oder ein Phänomen zu versammeln hätten, wer „wir“ seien und wer „die Anderen“.

Eine besonders ekelhafte Erscheinung dieser Art ist die so genannte Extremismustheorie, die Theorie zu nennen eigentlich schon zu viel der Ehre ist, weshalb sie im Folgenden lediglich als Extremismuskonstrukt firmiert. Gemeint ist die Vorstellung, dass Politik in der BRD ein Kampf sei zwischen Demokraten und – linken oder rechten – Extremisten, zwischen der Mitte der Gesellschaft und den politischen Rändern, zwischen dem von sich aus friedfertigen deutschen Volk und gewaltbereiten Radikalen.

In seiner Selbstdarstellung ist das Extremismuskonstrukt stets beides zugleich: Antikommunismus und Antifaschismus. Dass entspricht immerhin zur Hälfte der Wahrheit – die andere Hälfte hat kürzlich, ganz am Rande, ein Spiegel-Journalist im Gespräch mit dem Sänger der völkisch-nationalistischen Rechtsrockband Frei.Wild offengelegt:

„Das Pegida-Logo zeigt eine Mülltonne, in der unter anderem ein Hakenkreuz und das Antifa-Symbol liegen. Dazu passend ist “Ganz weit rechts und ganz weit links, da stinkt’s” eine Textzeile von Frei.Wild. […] Ist Frei.Wild der Soundtrack zu Pegida?” [1]

Das Extremismuskonstrukt als verbindendes Element zwischen einer – gelinde gesagt – rechtspopulistischen Band und einer fremdenfeindlichen Massenbewegung? Überraschend ist daran einzig, dass diese Aussage auf Spiegel Online zu finden ist. Denn, ja, das Extremismuskonstrukt ist nicht nur ein stumpfes Schwert gegen die politische Rechte, es ist mittlerweile zum festen Element in der Agitation des Rechtspopulismus selbst geworden. Auf montäglichen Wichtelwachen und bei Pegida, auf Wahlkampfveranstaltungen der AfD und bei Endgame plärren sie im Chor gegen politische Extremisten und beteuern zugleich, selbst weder rechts noch links und schon gar nicht extremistisch zu sein. Gemäßigte Rassisten, gemäßigte Antisemiten, feine Damen, Ehrenmänner.

Nun stellt sich natürlich die Gretchenfrage: Haben die neu entstandenen völkisch-nationalistischen Bewegungen des Jahres 2014 das Extremismuskonstrukt bis zur Unkenntlichkeit verzerrt, oder vielmehr zur Kenntlichkeit gebracht? Eine Annäherung findet sich in einem Artikel Anetta Kahanes von März diesen Jahres:

„Ein zentraler Mythos der deutschen Geschichte war immer die des Extremen, aus dem das Böse kriecht, versus der guten Mitte, in der die Welt ihr Gleichgewicht findet. So haben die Deutschen den Nationalsozialismus weit von sich selbst wegdefiniert und einigen Verbrechern zugeschrieben, von deren Taten niemand wusste. […] [Das Problem ist] eine infantile und aggressive Gesellschaft, aus deren Mitte es Hass hagelt, während sie mit dem Finger auf andere zeigt.“ [2]

Das Extremismuskonstrukt dient aber nicht nur der in Deutschland üblichen Revision der Geschichte und der ebenfalls traditionsreichen nationalen Selbstentlastung, wie sie auch in so famosen Machwerken wie „Unsere Mütter, unsere Väter“ zu bestaunen sind, sie entwirft auch ein Gesellschaftsbild, das mit dem der oben genannten völkischen Bewegungen strukturell übereinstimmt: Hier die Mehrheit, die harmonische Gemeinschaft der Deutschen, das autoritäre Kollektiv, das die allgemeinen Maßstäbe setzt, da gewalttätige, psychisch labile, intellektuell minderbemittelte Individuen, die die Maßstäbe nicht anerkennen und daher mit Ausgrenzung gestraft werden müssen. In den Rollen sind sich bürgerliche und völkisch-nationalistische Apologeten des Extremismuskonstrukts einig, nur die Verteilung steht noch offen: Pegida & Co. drängen vom rechten Rand her dorthin, wo erstere schon sind, in die Mitte, zur Deutungshoheit, sie wollen sich selbst zum neuen deutschen Standard machen. Dazu genügt es, den gängigen Begriff des Linksextremismus noch ein wenig auszuweiten, und den des Rechtsextremismus noch etwas stärker einzuschränken, sodass am Ende vermutlich nur noch Goebbels und Hitler persönlich darunter fallen. Das Extremismuskonstrukt selbst aber – und das ist entscheidend – stellt aus Sicht dieser neu-rechten Bewegungen nicht das geringste Problem dar, im Gegenteil, es ist recht nützlich: Nützlich für den Kampf gegen die verhasste Linke, nützlich, um sich in der oberflächlichen Abgrenzung gegen ein paar besonders üble Obernazis selbst als Demokrat zu empfehlen, und nicht zuletzt nützlich für die nationale Ehrenrettung, für die Rehabilitierung des deutschen Volks, was immer darunter verstanden wird.

Und das politische Establishment? Erschrocken über die Konkurrenz von rechts, reagiert es mit genau den Ausgrenzungsmechanismen, derer sich auch ihre rechten Widersacher bedienen. Es war traurig, die Auseinandersetzung um Pegida mitanzusehen. Plötzlich wollte jeder das Volk sein. Und keiner, der sich im Deutschnationalismus hätte übertreffen lassen. Für extremistisch, psychisch krank, dumm, undeutsch und vor allem Minderheit hingegen wurden die jeweils Anderen erklärt, die Ausgeschlossenen, denen vorgeworfen wurde, „nicht das Volk“ [3] und „eine Schande für Deutschland“ [4] zu sein, ganz so, als wäre das etwas Schlechtes.

Es war Angela Merkel, die dieser Peinlichkeit letztlich mit einer glasklar humanistischen Kritik an Pegida vorläufig den Riegel vorschob:

„Heute rufen manche montags wieder: ‘Wir sind das Volk!’, aber tatsächlich meinen sie: ‘Ihr gehört nicht dazu, wegen eurer Hautfarbe, oder eurer Religion.’“ [5]

Hat man einen solchen Satz aus der SPD vernommen? Wenn ja, habe ich ihn wohl verpasst. Immerhin aber wissen wir jetzt, dass sich in Deutschland an der „Wonne, in Massen aufzutreten, in Massen zu brüllen und in Gruppen Fahnen zu schwenken“ [6], nichts geändert hat, nicht am rechten Rand, der zunehmend breiter wird, und auch nicht in der deutschen Mitte. Eine Möglichkeit der scheinbar unverdächtigen Konstruktion dieser Masse nach Auschwitz ist das vom Verfassungsschutz und von jenen, die er zu bekämpfen hätte, gleichermaßen affirmierte Extremismuskonstrukt. So gewinnt schlussendlich auch ein Zitat seinen Sinn zurück, das die real existierende antikommunistische Volksfront seit Jahren bei jeder sich bietenden Gelegenheit hohnlachend ins Gegenteil verkehrt hat:

„Der neue Faschismus wird nicht sagen: Ich bin der Faschismus. Er wird sagen: Ich bin der Antifaschismus.“ [7]

Quellen:

[1] http://www.spiegel.de/kultur/musik/interview-mit-der-skandal-rockband-frei-wild-a-1027269.html

[2] http://www.berliner-zeitung.de/meinung/kolumne-zu-antisemitismus-extremismus-der-mitte,10808020,30002104.html

[3] https://www.facebook.com/nichtdasvolk?fref=ts

[4] http://www.spiegel.de/politik/deutschland/pegida-heiko-maas-nennt-proteste-schande-fuer-deutschland-a-1008452.html

[5] https://www.youtube.com/watch?v=dK_RJghxc1Y

[6] http://www.textlog.de/tucholsky-blick-in-zukunft.html

[7] http://de.wikipedia.org/wiki/Ignazio_Silone#Antifaschismus-Zitat

 

Antiba – der Barbarei entgegentreten! Über Antifaschismus in Zeiten von Djihadismus und Pegida

$
0
0

Vortrag und Diskussion mit Lothar Galow-Bergemann

Montag, 18. Mai 2015, 18 Uhr, Freiburg

Universität Freiburg, KG 1, HS 1023

Eine Veranstaltung des Referats gegen Faschismus im StuRa der Uni Freiburg

2014 explodierten Dumpfbackentum, Ressentiment und Barbarei: Antisemitische Massenaufmärsche verlangten „Tod den Juden!“ – Nazis, Islamisten und Linksreaktionäre marschierten vereint im Hass gegen den jüdischen Staat und in Solidarität mit seinen Todfeinden – Djihadisten drohten Andersgläubigen mit Macheten in der Hand, sie „hier genauso zu töten wie im Irak“ – Rechtsreaktionäre erzielten erschreckende Wahlerfolge und mit Pegida, Hogesa &Co mobilisierte ein rassistischer Mob gegen MuslimInnen und Flüchtlinge. Zu Beginn des neuen Jahres machten die djihadistischen Mordanschläge in Paris und Kopenhagen auf ein atheistisches Satiremagazin, eine Diskussionsveranstaltung zur Meinungsfreiheit, einen jüdischen Supermarkt und eine Synagoge klar: der Wahnsinn geht weiter.
Antifa, das ist ihr unschätzbares Verdienst, will in Zeiten, in denen leider keine Aussicht besteht, die Verhältnisse grundsätzlich zum Tanzen zu bringen, wenigstens den allerschlimmsten und barbarischsten Kräften in den Weg treten. So wichtig es bleibt, sich offenen Nazis entgegenzustellen – es liegt auf der Hand, dass der Kampf gegen sie allein nicht mehr ausreicht. Stiefel- und Nadelstreifennazis verbindet trotz des äußerlichen Gegensatzes im Kern eine enge Seelenverwandtschaft mit den Djihadisten. Wer um ein Minimum an Menschenwürde und um  Mindestvoraussetzungen für eine irgendwann vielleicht doch noch gelingende Emanzipation kämpfen will, muss sich der anschwellenden Front der Barbarei in all ihren Facetten entgegenstellen.
Vor welchen Herausforderungen theoretischer wie praktischer Art steht Antifaschismus heute? Wie hilfreich und wie problematisch ist dafür die so genannte „Islamdebatte“? Inwiefern können Begriffe wie „Islamismus“, „Islamophobie“ oder “Islamkritik“ dazu beitragen, die Problemlage zu erfassen? Warum ist eine konservativ-orthodoxe Interpretation der Religion in muslimischen Communities so stark präsent? Ist die Rede von „dem“ Islam zutreffend, der im Gegensatz zu „dem“ Christentum Humanität und Säkularität ausschließe?
Wie ist schließlich ein emanzipatorischer Anspruch inmitten einer zunehmend verrückter werdenden Umgebung aus moslemhassenden Sarrazindeutschen, tatsachenresistenten Linken, Nazis und Djihadisten zu formulieren? Und wie kann er praktisch werden?
Lothar Galow-Bergemann schreibt u.a. für Jungle World, Konkret & auf www.emmaundfritz.de

 

 


AntiBa – der Barbarei entgegentreten! Über Antifaschismus in Zeiten von Djihadismus und Pegida

$
0
0

Vortrag und Diskussion mit Lothar Galow-Bergemann

Freitag, 12. Juni 2015, 20.00 Uhr, Frankfurt/Main
Café Kurzschlusz, Campus der Frankfurt University of Applied Sciences, Kleiststr. 5

Veranstaltet vom Café Kurzschlusz – Unterstützt durch das Ref Pol-Bil des JWG-Uni-ASTA

2014 explodierten Dumpfbackentum, Ressentiment und Barbarei: Antisemitische Massenaufmärsche verlangten „Tod den Juden!“ – Nazis, Islamisten und Linksreaktionäre marschierten vereint im Hass gegen den jüdischen Staat und in Solidarität mit seinen Todfeinden – Djihadisten drohten Andersgläubigen mit Macheten in der Hand, sie „hier genauso zu töten wie im Irak“ – Rechtsreaktionäre erzielten erschreckende Wahlerfolge und mit Pegida, Hogesa &Co mobilisierte ein rassistischer Mob gegen MuslimInnen und Flüchtlinge. Zu Beginn des neuen Jahres machten die djihadistischen Mordanschläge in Paris und Kopenhagen auf ein atheistisches Satiremagazin, eine Diskussionsveranstaltung zur Meinungsfreiheit, einen jüdischen Supermarkt und eine Synagoge klar: der Wahnsinn geht weiter.
Antifa, das ist ihr unschätzbares Verdienst, will in Zeiten, in denen leider keine Aussicht besteht, die Verhältnisse grundsätzlich zum Tanzen zu bringen, wenigstens den allerschlimmsten und barbarischsten Kräften in den Weg treten. So wichtig es bleibt, sich offenen Nazis entgegenzustellen – es liegt auf der Hand, dass der Kampf gegen sie allein nicht mehr ausreicht. Stiefel- und Nadelstreifennazis verbindet trotz des äußerlichen Gegensatzes im Kern eine enge Seelenverwandtschaft mit den Djihadisten. Wer um ein Minimum an Menschenwürde und um Mindestvoraussetzungen für eine irgendwann vielleicht doch noch gelingende Emanzipation kämpfen will, muss sich der anschwellenden Front der Barbarei in all ihren Facetten entgegenstellen.
Vor welchen Herausforderungen theoretischer wie praktischer Art steht Antifaschismus heute? Wie hilfreich und wie problematisch ist dafür die so genannte „Islamdebatte“? Inwiefern können Begriffe wie „Islamismus“, „Islamophobie“ oder “Islamkritik“ dazu beitragen, die Problemlage zu erfassen? Warum ist eine konservativ-orthodoxe Interpretation der Religion in muslimischen Communities so stark präsent? Ist die Rede von „dem“ Islam zutreffend, der im Gegensatz zu „dem“ Christentum Humanität und Säkularität ausschließe?
Wie ist schließlich ein emanzipatorischer Anspruch inmitten einer zunehmend verrückter werdenden Umgebung aus moslemhassenden Sarrazindeutschen, tatsachenresistenten Linken, Nazis und Djihadisten zu formulieren? Und wie kann er praktisch werden?
Lothar Galow-Bergemann schreibt u.a. für Jungle World, Konkret & auf www.emmaundfritz.de

 

 

Der Despotismus der Freiheit

$
0
0

Über revolutionäre Moral und das Glück des Einzelnen in Georg Büchners „Dantons Tod“

Vortrag und Diskussion mit Sebastian Tränkle

Freitag, 10. Juli 2015, 19.30 Uhr, Stuttgart                                                                      auf dem Contain‘t-Gelände, Güterstr. 10, 70372 Stuttgart-Bad Cannstatt

In Georg Büchners Dantons Tod (1835) wird ein zentrales Problem aller revolutionären Politik dramatisiert: Der Konflikt zwischen Moralprinzipien, die zur Legitimation ihrer Maßnahmen dienen und dem Glücksstreben der einzelnen Individuen. Büchners Drama – in der Sprache so unerhört modern, dass man bisweilen meinen möchte, es nehme Brecht vorweg – seziert in geradezu ideologiekritischer Manier die jakobinischen Moralvorstellungen und ihre blutigen Konsequenzen. Aus der historischen Rückschau lässt das zur terroristischen Endzeit der Französischen Revolution situierte Stück gar Fluchtlinien hin zum Großen Terror des Stalinismus erkennen. Vor dem Hintergrund der beiden historischen Erfahrungen wird die Fragwürdigkeit politischer Moral deutlich. Mit einem Seitenblick auf Oscar Wilde soll ihr schließlich eine materialistische Absage erteilt werden: Dort wo nur für »die Sache« gekämpft wird, statt für das eigene Glück, ist die Revolution schon an den Revolutionären gescheitert; oder: wo der Glücksanspruch des Einzelnen umstandslos der Durchsetzung allgemeiner Prinzipien geopfert wird, führt sich jeder Versuch zur Befreiung selbst ad absurdum. Von Sebastian Tränkle ist ein Aufsatz zum Thema erschienen: »Polizeisoldat des Himmels. Über revolutionäre Moral und die Negation des individuellen Glücksanspruchs«, in: Hendrik Wallat (Hg.), Gewalt und Moral. Eine Diskussion der Dialektik der Befreiung, Münster: Unrast 2014. Der Vortrag möchte mit dem Essay auch das Buch vorstellen.

Sebastian Tränkle ist u. a. als freier Autor tätig und lebt in Berlin.

Eine Veranstaltung von Contain’t und Emanzipation und Frieden

 

Audio: Der Despotismus der Freiheit. Über revolutionäre Moral und das Glück des Einzelnen in Georg Büchners „Dantons Tod“

$
0
0

Vortrag von Sebastian Tränkle

gehalten am 10. Juli 2015 in Stuttgart 

 

In Georg Büchners Dantons Tod (1835) wird ein zentrales Problem aller revolutionären Politik dramatisiert: Der Konflikt zwischen Moralprinzipien, die zur Legitimation ihrer Maßnahmen dienen und dem Glücksstreben der einzelnen Individuen. Büchners Drama – in der Sprache so unerhört modern, dass man bisweilen meinen möchte, es nehme Brecht vorweg – seziert in geradezu ideologiekritischer Manier die jakobinischen Moralvorstellungen und ihre blutigen Konsequenzen. Aus der historischen Rückschau lässt das zur terroristischen Endzeit der Französischen Revolution situierte Stück gar Fluchtlinien hin zum Großen Terror des Stalinismus erkennen. Vor dem Hintergrund der beiden historischen Erfahrungen wird die Fragwürdigkeit politischer Moral deutlich. Mit einem Seitenblick auf Oscar Wilde soll ihr schließlich eine materialistische Absage erteilt werden: Dort wo nur für »die Sache« gekämpft wird, statt für das eigene Glück, ist die Revolution schon an den Revolutionären gescheitert; oder: wo der Glücksanspruch des Einzelnen umstandslos der Durchsetzung allgemeiner Prinzipien geopfert wird, führt sich jeder Versuch zur Befreiung selbst ad absurdum. Von Sebastian Tränkle ist ein Aufsatz zum Thema erschienen: »Polizeisoldat des Himmels. Über revolutionäre Moral und die Negation des individuellen Glücksanspruchs«, in: Hendrik Wallat (Hg.), Gewalt und Moral. Eine Diskussion der Dialektik der Befreiung, Münster: Unrast 2014. Der Vortrag möchte mit dem Essay auch das Buch vorstellen.

Sebastian Tränkle ist u. a. als freier Autor tätig und lebt in Berlin.

Eine Veranstaltung von Contain’t und Emanzipation und Frieden

AntiBa – der Barbarei entgegentreten! Antifaschismus in Zeiten von Djihadismus und Pegida.

$
0
0

Vortrag und Diskussion mit Lothar Galow-Bergemann

Freitag, 11. September 2015, 18 Uhr, Dresden                                                       kosmotique, Martin-Luther-Str. 13, 01099 Dresden                                                       Eine Veranstaltung von Klatsch Cafè

Freitag, 18. September 2015, 19 Uhr, Augsburg                                                         Die Ganze Bäckerei, Frauentorstrasse 34, 86152 Augsburg

2014 explodierten Dumpfbackentum, Ressentiment und Barbarei: Antisemitische Massenaufmärsche verlangten „Tod den Juden!“ – Nazis, Islamisten und  Linksreaktionäre marschierten vereint im Hass gegen den jüdischen Staat und in Solidarität mit seinen Todfeinden – Djihadisten drohten Andersgläubigen mit Macheten in der Hand, sie „hier genauso zu töten wie im Irak“ – Rechtsreaktionäre erzielten erschreckende Wahlerfolge und mit Pegida, Hogesa &Co mobilisierte ein rassistischer Mob gegen MuslimInnen und Flüchtlinge. Zu Beginn des neuen Jahres machten die djihadistischen Mordanschläge in Paris und Kopenhagen auf ein atheistisches Satiremagazin, eine Diskussionsveranstaltung zur Meinungsfreiheit, einen jüdischen Supermarkt und eine Synagoge klar: der Wahnsinn geht weiter.
Antifa, das ist ihr unschätzbares Verdienst, will in Zeiten, in denen leider keine Aussicht besteht, die Verhältnisse grundsätzlich zum Tanzen zu bringen, wenigstens den allerschlimmsten und barbarischsten Kräften in den Weg treten. So wichtig es bleibt, sich offenen Nazis entgegenzustellen – es liegt auf der Hand, dass der Kampf gegen sie allein nicht mehr ausreicht. Stiefel- und Nadelstreifennazis verbindet trotz des äußerlichen Gegensatzes im Kern eine enge Seelenverwandtschaft mit den Djihadisten. Wer um ein Minimum an Menschenwürde und um Mindestvoraussetzungen für eine irgendwann vielleicht doch noch gelingende Emanzipation kämpfen will, muss sich der anschwellenden Front der Barbarei in all ihren Facetten entgegenstellen. Vor welchen Herausforderungen theoretischer wie praktischer Art steht Antifaschismus heute? Wie hilfreich und wie problematisch ist dafür die so genannte „Islamdebatte“? Inwiefern können Begriffe wie „Islamismus“, „Islamophobie“ oder “Islamkritik“ dazu beitragen, die Problemlage zu erfassen? Warum ist eine konservativ-orthodoxe Interpretation der Religion in muslimischen Communities so stark präsent? Ist die Rede von „dem“ Islam zutreffend, der im Gegensatz zu „dem“ Christentum Humanität und Säkularität ausschließe? Wie ist schließlich ein emanzipatorischer Anspruch inmitten einer zunehmend verrückter werdenden Umgebung aus moslemhassenden Sarrazindeutschen, tatsachenresistenten Linken, Nazis und Djihadisten zu formulieren? Und wie kann er praktisch werden?

Lothar Galow-Bergmann schreibt u.a. in Jungle World, Konkret und auf www.emafrie.de

Audio: Kopf ausschalten als Alternative?

$
0
0

Religion, Esoterik und die Sehnsucht der Marktwirtschaftsinsassen nach der Höheren Macht.

Lothar Galow-Bergemann im Gespräch mit Radio Corax

Dass sich Massen von Menschen nach „Heilung“ sehnen verweist darauf, dass sie sich verletzt fühlen. Sie haben Grund dazu. Doch die Zumutungen, unter denen sie leiden, sind Folge eben derjenigen instrumentellen Vernunft der Marktwirtschaft, die sie alle teilen und nach der sich alle richten müssen. Je krisenhafter das System der Kapitalverwertung, desto attraktiver erscheinen vielen seiner Insassen Esoterik und Religion. Die vermeintliche Alternative aber schüttet das Kind mit dem Bade aus: sie schreibt die Vernunft schlechthin ab. Diese aber muss gegen die anschwellende Regression verteidigt werden.

(gesendet am 24.08.2015 von Radio Corax unter dem Titel „Irrationalität und Kapitalismus“)

Islamismus? Islamophobie? Islamkritik?

$
0
0

Schwierigkeiten einer emotionsgeladenen Debatte zwischen Kritik und Vorurteil

Vortrag und Diskussion mit Lothar Galow-Bergemann

Donnerstag, 1. Oktober 2015, 20.00 Uhr, Landshut                                                Infoladen, Bergstraße 146, 84028 Landshut

Eine Veranstaltung der VVN – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten Kreisvereinigung Landshut

Das Vorurteil, „die Ausländer“ würden „uns Deutschen“ die Arbeitsplätze wegnehmen und die Sozialkassen plündern, ist weit verbreitet. Gegenüber Kolleginnen und Kollegen mit muslimischem Hintergrund tritt diese Fremdenfeindlichkeit oft besonders unverblümt auf. Häufig verbindet sie sich mit der Herabwürdigung einer angeblich „ganz anderen“ Kultur, die „nicht zu uns passt“. Auch am Arbeitsplatz müssen wir uns immer wieder mit diesem Ressentiment auseinandersetzen. Doch Musliminnen und Muslime sehen sich nicht nur vielen Vorurteilen und Anfeindungen der Mehrheitsgesellschaft ausgesetzt. Nicht wenige von ihnen leiden auch unter einer besonders patriarchalen und emanzipationsfeindlichen Ideologie, die „aus den eigenen Reihen“ kommt – insbesondere Musliminnen.
Wie ist mit dieser verwickelten Sachlage umzugehen? Sollte man, um Vorurteil und Ressentiment nicht weiter zu befördern, besser zu islamistischer Unterdrückung und Gewalt schweigen? Sollte man aus Solidarität gegen patriarchale Gewalt ein Auge gegenüber dem grassierenden Vorurteil zudrücken? Oder gibt es einen Weg, humanistischen und emanzipatorischen Ansprüchen auch in einer schwierigen und emotionsgeladenen Auseinandersetzung gerecht zu werden? Inwiefern können Begriffe wie „Islamismus“, „Islamophobie“, „Islamkritik“ usw. dabei helfen, die Problematik besser zu erfassen?

Lothar Galow-Bergemann schreibt u.a. in Konkret, Jungle World und auf www.emafrie.de

 

Demokratie oder Volksherrschaft?

$
0
0

Warum die Verhältnisse nicht besser werden, wenn das Ressentiment mehrheitsfähig ist.

Vortrag und Diskussion mit Lothar Galow-Bergemann

Dienstag, 3. November 2015, 19.30 Uhr, Leipzig                                                    Conne Island, Koburger Str. 3, 04277 Leipzig

Versteht man „Demokratie“ lediglich im Wortsinne, nämlich als „die Herrschaft des Volkes“, so muss einem davor grausen. Schließlich hätte dann der Nationalsozialismus, der das Fühlen, Denken und Wollen einer großen Mehrheit der Deutschen repräsentierte, das Prädikat demokratisch verdient. Der leidlich funktionierende demokratische Staat aber zeichnet sich gerade dadurch aus, dass er unveräußerliche Rechte von Einzelnen und Minderheiten garantiert.

Gegen die Krise der Demokratie wird mehr „direkte Demokratie“ gefordert. Doch ob „Ausländer“ rausgeworfen, Minarettbauten verboten oder Schulreformen verhindert werden sollen – bessere Verhältnisse schafft die „Stimme des Volkes“ kaum. Solange die selbstgerechte Gemeinschaft der „ehrlich Arbeitenden und Betrogenen“ ihr Mütchen an vermeintlich „Faulen“ oder „Gierigen“ kühlen mag und Ressentiment landauf landab mit Kritik verwechselt wird, ist „dem Volk“ grundsätzlich zu misstrauen. Was geht in Menschen vor, die zwar gegen einen Bahnhofsneubau Sturm laufen, nicht aber gegen die Rente mit 67 – obwohl sie unter dieser vermutlich wesentlich mehr zu leiden haben werden als unter jenem? Und ist es ein Zufall, dass einem die Forderung nach Volksabstimmungen umso häufiger begegnet, je weiter man sich im politischen Spektrum nach rechts bewegt?

Lothar Galow-Bergemann, Stuttgart, schreibt u.a. in konkret, Jungle World und auf emafrie.de.

Gefördert im Rahmen der Strategie, des Landesprogramms „Weltoffenes Sachsen für Demokratie und Toleranz“ und des Bundesprogramms „Demokratie leben!“

 


Antisemitische und antiamerikanische Verschwörungstheorien

$
0
0

Eine Diskursanalyse im Umfeld der „Mahnwachen für den Frieden“ im Frühjahr 2014

von Laura-Luise Hammel

[Ein Vortrag der Autorin zum Thema ist HIER zu hören]

Im Frühjahr 2014 ist mit den „Mahnwachen für den Frieden“ eine neue Protestbewegung entstanden, auf denen Menschen in zahlreichen Städten für Frieden, Freiheit und Gerechtigkeit demonstrierten. Schwerpunktthemen der Bewegung waren eine angeblich drohende „Kriegsgefahr in der Ukraine“, eine „Kritik“ am derzeitigen Finanzsystem, der Wunsch nach „mehr Demokratie“ und einer „freien Presse“.

Anders als viele weitere Protestphänomene und Soziale Bewegungen des letzten Jahrzehntes, wurde die Friedensbewegung 2014 in der öffentlichen Berichterstattung und auch innerhalb der politischen Landschaft mehrheitlich negativ wahrgenommen. Die Kritik, die an der Bewegung geübt wurde, bezog sich einerseits auf die Führungspersonen der neuen Protestbewegung,  andererseits wurde ihr vorgeworfen, sie sei offen für rechtsextreme Gruppierungen und greife in ihrer Deutung des Weltgeschehens auf Verschwörungstheorien mit antisemitischen und antiamerikanischen Inhalten zurück.

Die vorliegende Magisterarbeit ordnet die Friedensbewegung als Soziale Bewegung in der Bundesrepublik politikwissenschaftlich ein, setzt sich mit den o.g. Schwerpunktthemen auseinander, analysiert kritisch was sich die Akteure darunter vorstellen und wie entsprechende Forderungen artikuliert werden. Das zentrale Anliegen der Arbeit ist es, am Beispiel der neuen Protestbewegung der „Mahnwachen für den Frieden“ das aktuelle verschwörungstheoretische Sagbarkeitsfeld zum Thema „Einfluss der Federal Reserve Bank auf das Weltgeschehen“, das nach Ansicht der Verfasserin das Kernthema der Bewegung darstellt, im Rahmen einer Diskursanalyse zu analysieren und vertieft auf Anknüpfungspunkte zu gesellschaftlich verankerten antisemitischen Stereotypen einzugehen. Die Magisterarbeit bedient sich zu diesem Zweck der Methodik der Kritischen Diskursanalyse nach Siegfried Jäger.

Die Arbeit ist HIER komplett zu lesen Bitte anklicken und runterscrollen

 

 

Sommermärchen haben kurze Beine

$
0
0

Die deutsche Willkommenskultur kommt zu sich

von Lothar Galow-Bergemann

[Vorabdruck aus dem „Modulator“ des Freien Radio für Stuttgart, Nr. 1112/15, Erscheinungsdatum 27.10. 2015]

Als Audiodatei HIER zu hören

Mehr als neun Jahre dauerte es, bis herauskam, dass das deutsche „Sommermärchen“ von 2006 einer mit krimineller Energie erkauften Standortvergabe der Männerfußball-WM zu verdanken war. Nicht einmal neun Wochen brauchte es, bis der Lack auch vom zweiten deutschen Sommermärchen ab war. Längst verklungen ist im Münchener Hauptbahnhof der Begrüßungsapplaus für Menschen, die Krieg und Elend entfliehen konnten. Es dominieren Bilder von hasserfüllten Massendemos, Mordaufrufen und brennenden Flüchtlingsheimen. Doch wie auch immer sich die Dinge weiterentwickeln werden, eines lässt sich jetzt schon sagen: Man wird sich in Deutschland trotz WM-Bestechungsskandal weiter an der „endlich wieder normalen Nation“ besaufen und man wird sich, komme was wolle, auch in vielen Jahren noch mit den Bildern aus dem Münchener Hauptbahnhof brüsten. Denn „Weltmeister der Herzen“ zu sein ist nun mal deutsches Selbstverständnis par excellence.

Um es vorweg zu sagen: Ja, es setzen sich immer noch viele Leute für Flüchtlinge ein. Oft mit großem und bewundernswertem Einsatz. Überraschend viele. Ich gestehe, hätte das noch vor einem Jahr jemand prophezeit, ich hätte es nicht für möglich gehalten. Für den Moment jedenfalls bin ich immer noch geneigt zu glauben, dass sich in dieser Hinsicht unter einem Teil der Deutschen etwas zum Besseren bewegt hat in den letzten 25 Jahren. Auch damals brannten Flüchtlingsheime – in Hoyerswerda, Rostock-Lichtenhagen, Mannheim-Schönau und anderswo. Aber Straße und Wohnzimmer suhlten sich damals in trauter Eintracht mit fast der kompletten medialen und politischen Elite. Von Stammtisch bis „Spiegel“ – allerorten das Geschwätz vom „vollen Boot“. Und wesentlich weniger Leute als heute standen damals den Bedrohten zur Seite. So weit, so gut, so bemerkenswert. Doch das gilt eben nur für einen Teil der Deutschen. Wie groß er unter zunehmend widrigeren Umständen wirklich bleiben wird, ist offen. Schon jetzt aber ist klar: es ist die Minderheit. Denn der kurze Sommer der Hoffnung war schnell verweht und im kalten Herbst bröckelt die Fassade deutscher Willkommenskultur von Tag zu Tag.

Man erinnert sich. 1999 – die Pogrome ein paar Jahre zuvor waren nur zu gut noch in Erinnerung – initiierte die CDU eine denkwürdig schmutzige Kampagne gegen die doppelte Staatsbürgerschaft. In kürzester Zeit sammelte sie Millionen Unterschriften. Die Leute standen Schlange an den Infoständen und hatten nur eine einzige Frage: „Wo kann man hier gegen Ausländer unterschreiben?“ Auf der Welle des losgelassenen Volkszorns eroberte CDU-Rechtsaußen Roland Koch den hessischen Ministerpräsidentenposten. Erneut bestätigte sich: Wenn „die da oben“ nur wollen und auf offenen Rassismus und Nationalismus machen, stehen sofort -zig Millionen von „denen da unten“ Gewehr bei Fuß. Autoritäre Charaktere, die diese nun mal sind, warten sie zwar in der Regel noch auf die Erlaubnis von oben, dass sie dürfen. Aber wehe, wenn sie losgelassen…

Glücklicherweise, auch das gehört zur Wahrheit, waren damals nicht alle, auch nicht alle von „denen da oben“, auf dem gleichen Trip. Doch die rot-grüne Koalition, gegen die die Schmutzkampagne gerichtet war, knickte weitgehend ein und verabschiedete lediglich eine sehr verwässerte Reform des Staatsbürgerschaftsrechts. Ein paar Jahre später – die WM 2006 war kaum vorbei und das ganze Land schwelgte noch in „unverklemmtem, weltoffenem Patriotismus“ (Der Spiegel) – jagte ein rassistischer Mob in Sachsen schon wieder „Fremde“, in diesem Falle waren es Inder, durch die Straßen.

Weitere fünf Jahre danach wurde das lange unentdeckt gebliebene mörderische Treiben der Terrorbande „Nationalsozialistischer Untergrund“ (NSU) bekannt. Vieles deutet auf ihre Verquickung mit Teilen des Verfassungsschutzes hin. Dass dieser Skandal „das Land erschüttert“ habe – so die einhellige mediale Darstellung – mag im ein oder anderen Fall ein gut gemeinter Wunsch gewesen sein, Wirklichkeit war es leider nie. Ja, es gab auch Menschen, die weder Angehörige noch Bekannte der Ermordeten sind und die nicht nur per Lippenbekenntnis erschüttert waren. Aber die große Mehrheit hatte und hat andere Sorgen. Dass angesichts des Massenelends in der Hölle von Syrien wenigstens ein paar hunderttausend Menschen in Notunterkünften vor dem Verhungern bewahrt und einige von ihnen vielleicht sogar die Chance erhalten werden, sich ein besseres Leben aufzubauen, als dasjenige, dem sie entfliehen konnten – schon diese eingedampfte Miniaturausgabe von Resthumanität bringt viele zur Weißglut. Noch halten nicht wenige dagegen. Dass aber „Wirtschaftsflüchtlinge“ nicht willkommen seien, meint die übergroße Mehrheit. Viele derer, die sich auch einmal an einer „Lichterkette für die Flüchtlinge“ beteiligen mögen, gehören dazu. Wo doch das Wort „Wirtschaftsflüchtling“ bei Licht betrachtet statt eines Vorwurfs an die Fliehenden eine knallharte Anklage gegen ein Wirtschaftssystem ist, das Menschen zu massenhafter Flucht treibt. Sehnten sich denn die vier Millionen, die seinerzeit aus der DDR in die BRD flohen, nicht auch nach einem bessern Lebensstandard? Was war daran verwerflich? Die Antwort, die sie darauf geben, verweist auf die wahren Beweggründe der Antwortenden: aber das seien ja auch schließlich Deutsche gewesen. Also irgendwie bessere Menschen, denen mehr zustand. „Es können doch nicht alle zu uns kommen“ ist eine ebenso mehrheitsfähige wie lächerliche Parole. Als ob zur Debatte stünde, dass „alle“ (wer ist eigentlich gemeint? Die Menschheit zählt gut sieben Milliarden…) nach Deutschland wollten. Aus der Luft gegriffene „Befürchtungen“ und hin und wieder sogar einmal ein tatsächliches Erlebnis von der furchtbarsten Sorte – à la „wegen der Flüchtlinge fällt der Sportunterricht meiner Kinder aus“ – bringen die Leute in Wallung. Während ein Bahnhofsneubau Zehntausende auf die Straßen trieb, um ihren Zorn heraus zu schreien, ist die Hoffnung vergebens, dass, sagen wir, die weitere Verschlechterung des Asylrechts, die der Bundestag gerade beschlossen hat, auch nur halb so viele empörte Menschen zum Demonstrieren veranlassen könnte.

Sah es diesen Sommer für kurze Zeit so aus, als wollten diesmal wenigstens „die da oben“ auf die nationalistische Karte verzichten, so wurde auch diese Hoffnung schnell enttäuscht. Nicht nur Pegida, AfD, „Besorgte Bürger“ & Co erhalten erschreckenden Zulauf. Viel beunruhigender noch ist, dass ein Teil der medialen und politischen Eliten, wohl wissend, auf welch große Basis in der Bevölkerung sie bauen können, recht schnell einen formidablen Schwenk hinlegte. Zum Wortführer schwang sich der herdprämien- und mautgebeutelte CSU-Chef auf, für dessen politische Zukunft noch vor kurzem niemand einen Pfifferling gegeben hätte. Doch Seehofer hatte den Riecher an den Massen und arrivierte im Handumdrehen vom Auslaufmodell zum Volkshelden. „90 Prozent für Seehofer, 10 Prozent für Merkel“ verkündete die Bildzeitung das wenig überraschende Ergebnis einer Leserumfrage. Und schon bald nachdem der bayrische Führer den ungarischen Dreiviertelfaschisten Orban mit ekelerregendem Gestus aus dem bis dato wenigstens halboffiziellen EU-Bann erlöst und hoffähig gemacht hatte, marschierten Tausende durch Erfurt und Dresden und wünschten sich „Orban! Orban!“ und „Merkel muss weg!“

Dass sich Aversion und Hass der Fremdenfeinde zunehmend gegen eine christdemokratische Kanzlerin richten, ist ein neues Phänomen. Schon lange wachsen die Auseinandersetzungen innerhalb des konservativen Lagers – man denke nur an die unversöhnlichen Positionen innerhalb von CDU und Kirchen zur Homoehe. Die „Flüchtlingsdebatte“ macht schlagartig das große Rechtsaußen-Potential sichtbar, das neben AfD, NPD etc. immer noch in der Union steckt. Die Seehofer, Tillich &Co proben den Aufstand gegen ihre eigene Partei- und Regierungschefin. Denn in der Tat steht Merkels „Wenn wir jetzt anfangen, uns noch entschuldigen zu müssen dafür, dass wir in Notsituationen ein freundliches Gesicht zeigen, dann ist das nicht mein Land“ in deutlichem Kontrast zu dem, was viele ihrer Partei“freunde“ derzeit von sich geben.

Nicht dass man Merkels Betonung christlicher Nächstenliebe allzu ernst nehmen sollte. Auch ihre Regierung betreibt – wie all ihre Vorgänger und alle anderen EU-Regierungen auch – eine Politik der Abschreckung und Abschottung gegenüber Menschen in Not. Immer größere Milliardenbeträge werden in den „Schutz der Grenzen“ gesteckt – in den Schutz vor Menschen. Über 30.000 hat das in den letzten 15 Jahren bereits das Leben gekostet. Und kaum jemand – auch nicht von denen, die im Münchener Hauptbahnhof applaudierten – stört sich wirklich daran. Soviel zu deutscher und europäischer Humanität. Obwohl also auch die Regierung Merkel die Mauern der Festung Europa immer höher zieht, hat sie ein paar gute Gründe dafür, wenigstens en détail eine etwas andere Politik zu betreiben, als es sich der Mob wünscht. Die Begeisterung vieler Flüchtlinge für „Mutter Merkel“ und das freundliche Gesicht, das sie in den Selfies mit ihnen zeigte, sind jedenfalls Balsam für das internationale Image Deutschlands, das durch die brutale Griechenlandpolitik der letzten Monate schwer angeschlagenen war. Auch wissen Merkel und Gabriel um „die enormen politischen und ökonomischen Vorteile der Zuwanderung… Nur durch massive Zuwanderung wird es Deutschland gelingen, langfristig seinen Lebensstandard und einen Platz unter den drei bis vier wichtigsten Ländern in der Welt zu sichern. Die Kosten der Integration sind also eine kluge Investition in die Zukunft.“ So der Chefvolkswirt der Deutschen Bank, David Folkerts-Landau (Die Zeit, 15.10.15) Verständnis für die großen ökonomischen Zusammenhänge und die Zwänge der Globalisierung war eben noch nie die Stärke rechter Dumpfbacken. Fast krampfhaft ist man darum „von oben“ bemüht, den nationalen Kitt globalisierungstauglich zu erneuern. Immer wieder erklärt man denen „da unten“, dass sich der Exportweltmeister mit nationalistischer Enge doch am meisten selbst schade. Stolz auf Deutschland könnten wir doch gerade deswegen sein, weil wir so menschlich sind. Das gilt im Übrigen nicht nur für die Regierung. Exemplarisch dafür ist ein Plakat der Grünen, auf dem neben Flüchtlingen in großen Lettern ein „Danke Deutschland für dein riesengroßes Herz“ steht. Nicht alle kapieren das, aber manche. Die unterscheiden dann, so wie die Regierung auch, zwischen „Flüchtlingen, die uns nützen“ und solchen „die uns auf der Tasche liegen“. Diejenigen aber, die ohne jeden Vorbehalt für das uneingeschränkte Recht auf Migration aller Menschen eintreten – aus dem einzigen Grund, weil der Mensch ein Mensch ist – sind eine kleine Minderheit.

Ein Vierteljahrhundert nach dem Jubel über den Fall der Berliner Mauer werden Mauern und Stacheldrähte durch Europa gezogen, gegen „Schleuser- und Schlepperbanden“ gehetzt und „geschlossene Grenzen“ gefordert. Die Nähe zum Vokabular der SED ist frappierend. Übertrieben? Am 15. Oktober erschossen bulgarische Grenzschützer einen afghanischen Flüchtling. Am gleichen Tag verwies der niedersächsische CDU-Fraktionsvorsitzende ausdrücklich auf die ehemaligen „Übergangskorridore zwischen der BRD und der DDR“ und propagierte die „Wiedereinführung der Wehrpflicht“, um Deutschlands Grenzen zu sichern. Nach Meinung des Vorsitzenden des Parlamentskreises Mittelstand der Unionsfraktion darf die „Prüfung einer Grenzbefestigung kein Tabu sein“ und der Vorsitzende der Polizeigewerkschaft weist schon mal vorsorglich darauf hin, dass es die Transitzonen ohne „Zäune an den Grenzen“ nicht geben könne. Wann kommt der Schießbefehl?

Die Verhältnisse sind unmenschlich. Und doch könnten sie noch viel unmenschlicher werden. Ob Merkel ihre Politik durchhalten kann, wie sehr sie ihr Fähnlein noch einmal rechtzeitig in den Wind hängen oder ob sie vom Mob gestürzt werden wird, ist offen. Während ich dies schreibe, sticht ein Mann „mit rechtsradikaler Vergangenheit“ (Der Spiegel) die OB-Kandidatin der CDU in Köln auf offener Straße nieder – „wegen ihrer Flüchtlingspolitik“. Die Frau hatte zuvor in Bürgerversammlungen immer wieder den Bau neuer Asylbewerberheime verteidigt. Gut möglich, dass sich der Täter seine Methode von antisemitisch verhetzten palästinensischen Jugendlichen abgeschaut hat, die derzeit dasselbe in großem Stil in Israel praktizieren. Doch schon der Pegida-Galgen für Merkel und Gabriel machte das barbarische Potential des deutschen Mobs unmissverständlich klar. Wird er nicht im Zaum gehalten, sähe die NSU daneben nur mehr wie ein Kindergarten aus. Umgeben wären die Täter – wie immer in solchen Fällen – von einem wohlwollenden Umfeld, das seine Sympathie mehr oder weniger gut versteckt. Dieses Umfeld wiederum wäre von denen umgeben, die das nicht so fein finden und meinen, „so“ dürfe man das aber nicht machen. Die sich aber – auch das nichts Neues – über ein Kopfschütteln hinaus nicht wirklich dagegen auflehnen würden. Die sich querstellen würden, mögen, so wäre zu hoffen, mehr als noch vor einem Vierteljahrhundert sein. Dass sie immer noch eine kleine Minderheit wären, ist zu befürchten.

Antifaschistische Arbeit ist notwendiger denn je. Doch sollte man einen realistischen Blick auf ihre beschränkten Möglichkeiten haben. Die Verteidigung bürgerlich-demokratischer und rechtsstaatlicher Verhältnisse ist gerade in Krisenzeiten von unschätzbarem Stellenwert. Denn es könnte in diesem Lande – wieder einmal – etwas wesentlich Schlimmeres geben als eine leidlich funktionierende repräsentative Demokratie. Schon Mitte Oktober sprachen sich 56 % für die Einrichtung von Transitzonen, sprich Internierungslagern, an den Grenzen aus und 64% forderten eine Volksabstimmung über „die Flüchtlingsfrage“. Angesichts dieser Stimmung von „Direkter Demokratie“ zu träumen, darin gar einen fortschrittlichen und emanzipatorischen Akt zu erblicken, ist mindestens grob fahrlässig. Je weiter man im politischen Spektrum nach rechts schaut, um so häufiger begegnet einem die Forderung nach Volksabstimmungen. Die Rechten sind nicht blöd. Linke aber, die ihre fünf Sinne noch einigermaßen beisammen haben, sollten sich schleunigst von jedem naiven Glauben an „das Volk“ verabschieden.

 

 

Audio: Sommermärchen haben kurze Beine

$
0
0

Die deutsche Willkommenskultur kommt zu sich

von Lothar Galow-Bergemann

 

[Erschienen im „Modulator“, Freies Radio für Stuttgart, Nr. 1112/15, Redaktionsschluss für den Text war der 18.10.2015 – gesendet im Freien Radio für Stuttgart am 23.10.2015]

Mehr als neun Jahre dauerte es, bis herauskam, dass das deutsche „Sommermärchen“ von 2006 einer mit krimineller Energie erkauften Standortvergabe der Männerfußball-WM zu verdanken war. Nicht einmal neun Wochen brauchte es, bis der Lack auch vom zweiten deutschen Sommermärchen ab war. Längst verklungen ist im Münchener Hauptbahnhof der Begrüßungsapplaus für Menschen, die Krieg und Elend entfliehen konnten. Es dominieren Bilder von hasserfüllten Massendemos, Mordaufrufen und brennenden Flüchtlingsheimen. Doch wie auch immer sich die Dinge weiterentwickeln werden, eines lässt sich jetzt schon sagen: Man wird sich in Deutschland trotz WM-Bestechungsskandal weiter an der „endlich wieder normalen Nation“ besaufen und man wird sich, komme was wolle, auch in vielen Jahren noch mit den Bildern aus dem Münchener Hauptbahnhof brüsten. Denn „Weltmeister der Herzen“ zu sein ist nun mal deutsches Selbstverständnis par excellence. …             HIER weiterlesen

 

Emanzipation und Mehrheitsentscheid – eine Kritik demokratischer Herrschaft

$
0
0

Von Jonas Bayer

Der moderne Staat rechtfertigt sich primär durch seinen demokratischen Charakter. Die Entscheidungen des Souveräns, heißt es, seien legitimiert, weil sie im Namen der Mehrheit getroffen würden. In dieser Arbeit wird zunächst herausgearbeitet, welche grundsätzlichen Voraussetzungen eine Zusammenkunft von Individuen erfüllen muss, damit von ihr gefällte Mehrheitsentscheidungen überhaupt Bestand haben. Dann wird der moderne Staat hinsichtlich dieser Voraussetzungen betrachtet, wobei sich zeigt, dass er sie – als Nationalstaat – überhaupt nicht zu erfüllen vermag. Dieses Ergebnis ist wenig überraschend, denn sonst benötigte er kein Gewaltmonopol, um der sich durch ihn artikulierenden demokratischen Herrschaft Geltung zu verschaffen. Demokratische Entscheidungen, die im Rahmen eines Nationalstaats gefällt werden, sind also null und nichtig, bloße Gewalt, durchgesetzt durch die Androhung weiterer Gewalt. Dennoch ist, das zeigt insbesondere der Krieg der Alliierten gegen die Achsenmächte, nationalstaatliches Handeln keineswegs gleichermaßen zu verurteilen. Zu dessen Bewertung wird folglich ein von der Meinung der Mehrheit unter den eigenen Staatsbürgerinnen und Staatsbürgern unabhängiges Kriterium benötigt. Als solches kann die Emanzipation dienen, also inwiefern ein Nationalstaat mit einer bestimmten Politik die Freiheit des Individuums, seine Fähigkeit zu kritischem Denken und seine Perspektive auf ein selbstbestimmtes Leben fördert oder beschädigt.

Emanzipation und Mehrheitsentscheid – eine Kritik demokratischer Herrschaft

Die Affirmation der Demokratie gehört heute nicht nur zu den Grundüberzeugungen über alle Fraktionen des staatstragenden politischen Lagers hinweg, sondern konstituiert es als Ganzes. Ob ein Standpunkt noch diskutabel erscheint oder aber ins Visier der wehrhaften Demokratie gerät, entscheidet sich weit weniger an seinen „Tendenzen zur realen Humanität“ (Adorno/Horkheimer 2013: S. IX), als an seiner Haltung zu eben jener, und nur die Liberalsten der Liberalen hat die Furcht vor dem Zugriff der Mehrheit auf das eigene Portemonnaie dazu bewogen, den demokratischen Konsens aufzukündigen (vgl. Huemer 2013: S. 59-60). In einer politischen Landschaft, die üblicher Weise entlang der Pole demokratisch vs. extremistisch beschrieben wird, gilt notwendig als verdächtig, wer sich dem Schwur auf die Demokratie verweigert. Verdächtig ist daher auch diese Arbeit, denn sie, der Verteidigung der letzten „Residuen von Freiheit“ (Adorno/Horkheimer ebd.: S. IX) im schlechten Bestehenden nicht weniger verpflichtet als der Hoffnung auf dessen Aufhebung, spricht der demokratisch legitimierten Herrschaft des modernen Nationalstaats eben diese Legitimität ab, bestreitet also radikal das Recht der Mehrheit unter dem Staatsvolk, ihren Willen in Wahlen kundzutun und von einer Regierung exekutieren zu lassen, wie es heute allerorts in demokratischen politischen Systemen geschieht. Die im Folgenden formulierte Kritik zielt grundsätzlich auf Demokratie, die im nationalstaatlichen Rahmen stattfindet, hängt also nicht von den jeweils angewendeten demokratischen Verfahrensweisen oder den jeweils gewährten liberalen Abwehrrechten ab und kann daher auch nicht durch eine Veränderung in diesen Bereichen entkräftet werden.

Huermers Demokratiekritik und die Irrelevanz formaler demokratischer Prozesse

Der libertäre Demokratiekritiker Michael Huemer (ebd.) beginnt seine Kritik des “[n]aive majoritarianism” (S. 59) mit einem Gedankenexperiment, in dem eine Trinkgesellschaft ein einzelnes Mitglied aus ihrer Mitte demokratisch, d.h. per Mehrheitsentscheid dazu zu nötigen trachtet, die Rechnungen aller zu bezahlen (vgl. S. 59). Seine Schlussfolgerung:

“Majority will alone does not generate an entitlement to coerce the minority, nor does it generate an obligation of compliance on the part of the minority.” (S. 59-60)

Danach zeigt Huemer, dass die nur demokratisch – also gar nicht – legitimierte Entscheidung auch durch einen ihr vorausgehenden deliberativen Prozess nicht legitimer würde (S. 60-65). Ich möchte einen Schritt weiter gehen und behaupten, dass überhaupt kein formaler demokratischer Prozess, wie immer er auch ausgestaltet sei, die Mehrheitsentscheidung in diesem Fall legitimieren könnte. In der Natur der Sache liegend ist es unmöglich, dieses für alle denkbaren Prozesse zu zeigen, denn derer gibt es endlos viele – es scheint aber auch gar nicht notwendig. Dem Individuum nämlich, dem das Kollektiv mit einer unberechtigten Forderung gegenübertritt, kann prinzipiell gleichgültig sein, ob dieses zuvor deliberiert, diskutiert, eine Verfassung geschrieben oder ein Parlament gewählt hat. Nicht die Methode der Entscheidungsfindung, die die Mehrheit anwendet, ist entscheidend, sondern ihr Verhältnis zum Individuum, das mit den Konsequenzen leben muss. Was genau aber kennzeichnet die dieser Arbeit illegitim geltende demokratische Herrschaft, für die Huemers Gedankenexperiment nur ein plakatives Beispiel liefert? Ebenso wenig wie der formale demokratische Prozess kann für ihre qualitative Bestimmung relevant sein, welche Rechte das jener unterliegende Individuum genießt, weil dessen rechtlicher Schutz gegenüber der Herrschaft stets nur graduell ihre Folgen abzumildern, nicht aber an ihrem Wesen zu rütteln vermag. Zugleich festigt das bürgerliche Recht, indem es sie verschleiert, die Herrschaft selbst (vgl. Marcuse 1965). Im Folgenden werde ich drei Bedingungen für die Legitimität von Mehrheitsentscheidungen anbieten, an Hand derer sich demokratische Herrschaft – grundsätzlich – negativ bestimmen lässt. Um solche nämlich handelt es sich, sobald eine der Bedingungen verletzt wird.

Legitime Mehrheitsentscheidung und illegitime demokratische Herrschaft

Im schlechten Bestehenden sind die Menschen freier als je zuvor. Eingeschränkt noch durch die Zwänge zu Staatsloyalität und ökonomischer Reproduktion, darf das bürgerliche Subjekt alles, außer gegen das durch den Souverän garantierte Recht zu verstoßen, während zugleich die Stellung in der Waren produzierenden Gesellschaft die Grenzen weist und die Lebensbedingungen diktiert (vgl. »…ums Ganze!« 2009: S. 27). In solchem Stande falscher Freiheit zeigt sich, wann der Mehrheitsentscheid zwecks Entscheidungsfindung nur sachdienlich ist und wann er sich als Element demokratischer Herrschaft1 ins allgemeine Unrecht einfügt. Gehen wir nur einige Stunden in der Zeit zurück: Unsere Trinkgesellschaft schickt sich eben an, aufzubrechen, kann sich aber nicht unmittelbar auf ein Lokal einigen. Mehrere Optionen werden debattiert, die jeweiligen Vor- und Nachteile gegeneinander abgewogen, dann kommt es zur Abstimmung, und das in ihr obsiegende Lokal wird zum Ziel der Trinkgesellschaft für diesen Abend. Aus irgend einem Grund scheint der Fall fundamental anders zu sein. Weder hätte Huemer ihn als provokantes Beispiel nutzen können, noch würde – auch nicht ganz irrelevant – in diesem Fall, anders als im zuvor genannten, der bürgerliche Rechtsstaat dem oder der Überstimmten zu Hilfe eilen. Der Unterschied liegt darin, dass im eben geschilderte Fall anders als in Huemers Gedankenexperiment die drei Bedingungen legitimer Mehrheitsentscheidung erfüllt sind:

1. Es muss sich bei der entscheidenden Grundgesamtheit um einen „Verein freier Menschen“ (Marx 2013: S. 92) handeln, um eine freiwillige Zusammenkunft freier Individuen also, denen diese zu verlassen jeder Zeit offensteht.
2. Alle von der Mehrheitsentscheidung unmittelbar Betroffenen müssen Teil der entscheidenden Grundgesamtheit sein.
3. Die Mitglieder des Vereins müssen ein Commitment zum Zweck ihres Zusammenkommens teilen, womit dem Verein selbst zugleich die Grenzen gewiesen sind.

Diese drei Bedingungen legitimer Mehrheitsentscheidung ergeben sich aus der bürgerlichen Ordnung selbst. Wie oben ausgeführt, sind die Menschen in liberalen politischen System insofern auf eine falsche Art frei, als sie im Rahmen ihrer Staatsloyalität und ökonomischen Verwertbarkeit tun und lassen können, was sie wollen. Wird von diesem Rahmen abstrahiert, so zeigt sich bereits heute an dem, was die moderne, demokratisch legitimierte Staatsgewalt in ihrem Inneren jenseits staatlicher Autorität in der gesellschaftlichen Sphäre als legitime Mehrheitsentscheidung anerkennt, was allgemein legitime Mehrheitsentscheidung ist, d.h. was sie in der freien Gesellschaft wäre. Es ist ist der Maßstab des bürgerlich-demokratischen Nationalstaats selbst: Ein Segelverein mag, sofern alle seine Mitglieder solche freiwillig geworden sind, in Segelfragen allein und nur für seine Mitglieder demokratisch und verbindlich entscheiden. Eine Trinkgesellschaft mag, sofern niemand gezwungen wurde, ihr beizutreten, in Fragen, die das gemeinsame Trinken betreffen, für ihre Mitglieder demokratisch und verbindlich entscheiden. Jetzt wird auch klar, wo der kritische Punkt in Huemers Gedankenexperiment liegt: Die Trinkgesellschaft als solche hat schlicht keinerlei Befugnis, in Finanzfragen über ihre Mitglieder zu entscheiden, weil diese lediglich ein Commitment zum gemeinsamen Trinken teilen, nicht aber eines zum Bezahlen der Rechnungen Anderer. Sobald, wie in diesem Fall, eine der drei Bedingungen nicht erfüllt ist, schreitet der bürgerliche Staat ein. Ironischer Weise ist es eben dieser selbst, dessen Entscheidungsgewalt als die einer parlamentarischen Demokratie und als die eines Nationalstaats keine einzige der drei Bedingungen für die Legitimität von Mehrheitsentscheidungen zu erfüllen vermag. Der bürgerliche Staat duldet keine Gewalt gegen die Angehörigen der Nation neben seiner eigenen (vgl. »…ums Ganze!« Ebd.: S. 21) – und um nichts anderes als Gewalt, in der Herrschaft schlummernd und jeder Zeit bereit, hervorzutreten, handelt es sich bei Demokratie, wenn der Rahmen, in dem sie stattfindet, eine der Bedingungen verletzt.

 
Zur Nation und weshalb sie kein Verein freier Menschen ist

Das erste Kriterium, an dem sich eine legitime Mehrheitsentscheidung von illegitimer demokratischer Herrschaft scheiden lässt, fordert, dass die entscheidende Grundgesamtheit ein Verein freier Menschen sei. Im demokratischen Nationalstaat hingegen stellt diese dessen Staatsvolk. Weil das Wahlrecht Bürgerrecht ist, wird die Staatsbürgerschaft und damit die Zugehörigkeit zur Nation das entscheidende Kriterium, ihre Angehörigen – beziehungsweise jene unter ihnen, die zur Mehrheit gehören – entscheiden. Damit wird zur notwendigen Bedingung für die Legitimität von demokratischer Entscheidungsfindung im Rahmen der Nation, dass es sich bei dieser um einen Verein freier Menschen handle – tatsächlich aber könnten beide gegensätzlicher kaum sein, aus mindestens zwei Gründen. Erstens handelt es sich bei der Nation keineswegs um eine auf Freiwilligkeit basierende Zusammenkunft von Individuen, sondern um ein Zwangskollektiv:

„Die Rekrutierung der Staatsbürger erfolgt, ohne diese nach ihrem Einverständnis zu fragen – ein Skandal, der heutzutage aber als Selbstverständlichkeit durchgeht. Kaum ist man auf der Welt, noch bevor man seinen ersten Laut von sich gibt, ist man schon für das nationale und staatliche Kollektiv zwangsverpflichtet.“ (Grigat 2007: S. 254)

Darüber hinaus ist es nicht vorgesehen, diesem Zwangskollektiv zu entkommen. Richtig ist zwar, dass Migration in einem gewissen Rahmen, der proportional zum Nutzen der Arbeitskraft des jeweiligen bürgerlichen Subjekts in der „verwalteten Welt“ (Adorno/Horkheimer ebd.: S. IX) wächst, möglich ist. Weil aber die ganze Welt nationalstaatlich organisiert ist, bedeutet Migration stets nur Flucht von einem Zwangskollektiv ins nächste, vom Regen in die Taufe. Aus der nationalstaatlich organisierten Welt insgesamt auszuscheren bedeutete nur, die rohe Natur der Zivilisation vorzuziehen, unmittelbare Zwänge gegen gesellschaftlich vermittelte zu tauschen, keine Freiheit zu gewinnen, sondern die falsche Freiheit der bürgerlichen Gesellschaft zu verlieren. Das Individuum mag einer bestimmten Nation den Rücken kehren und damit durchaus relativ an Freiheit gewinnen, wie es stets die Hoffnung politischer Flüchtlinge war, von der Nation allgemein emanzipieren kann es sich nicht.

Gerechtfertigt (vgl. Held 1991: S. 163) wird die demokratische Herrschaft über das Individuum mit der starken Stellung der Judikativen, die in vielen demokratischen Nationalstaaten heute schon zu konstatieren ist (vgl. Waldron 2006: S. 1354-1355), mit den Rechten, die das bürgerliche Subjekt einzuklagen berechtigt ist. Durch sie ist die Schlechtigkeit des Bestehenden allerdings nicht aufgehoben, sondern lediglich dokumentiert:

„Kommunistische Kritik kreidet der bürgerlichen Gesellschaft nicht an, daß sie bestimmte Freiheits- und Individualrechte hervorgebracht hat, sondern weist darauf hin, daß eine Gesellschaft, die solche Rechte notwendig hat, weiterhin eine gewalttätige Gesellschaft ist.“ (Grigat ebd.: S. 363)

Es gibt noch einen dritten Punkt, der, obgleich etwas anders gelagert als die ersten beiden, die Nation von einem Verein freier Menschen unterscheidet, nämlich ihr ausgesprochen limitierter Zugang. Würde es sich bei der Nation, anders als hier dargestellt, tatsächlich um einen Verein freier Menschen handeln, dann um einen ziemlich elitären: Menschen, die vor Krieg, Gewalt und Diktatur fliehen, können oftmals nur beitreten, sofern sie zuvor auf der Reise ihr Leben riskieren, alle anderen nur, falls sie der Nation nützlich sind. Dieser Aspekt der Nation ist zwar – anders als die beiden zuvor genannten – kein Argument gegen die Legitimität von Herrschaft und Gewalt, die jene, denen die Gnade der Zugehörigkeit, die Staatsbürgerschaft, zuteil wurde, über- und gegeneinander ausüben. Er ist allerdings durchaus bedeutsam für das Unvermögen demokratischer Nationalstaaten, die zweite Bedingung für die Legitimität von Mehrheitsentscheidungen zu erfüllen.

Wir und die Anderen: Über Nation und Ausland

Diese zweite Bedingung fordert, dass alle unmittelbar von der durch Mehrheitsentscheid ermittelten Entscheidung Betroffenen zugleich auch Teil der entscheidenden Grundgesamtheit seien. Die Verletzung jener durch sämtliche demokratische Nationalstaaten ist offensichtlich. Nach ihr dürfte der Verein freier Menschen, der die Nation ohnehin nicht ist, Herrschaft, die dann keine wäre, ausschließlich über die eigenen Mitglieder ausüben. Jegliche Migrations-, Flüchtlings- oder Außenpolitik eines Nationalstaats ist daher schon allein deswegen dezidiert a priori illegitim, sie kann Legitimität nicht aus der in diesen Belangen irrelevanten Meinung der Angehörigen der Nation schöpfen, sondern einzig aus ihrem Beitrag für die politische und menschliche Emanzipation. Diese allerdings ist selten Ergebnis und noch seltener Antrieb nationalstaatlichen Handelns, wie die realistische Schule der internationalen Beziehungen unumwunden zugibt (vgl. Freyber-Inan/Harrison/James 2009: S. 106-107). Auf der anderen Seite zeigt sich nationalstaatliches Handeln, das auf die Durchsetzung der eigenen Interessen abzielt, als Recht des Stärkeren. Jegliche nationalstaatliche Handlung, die auf Abschottung gegen – gleich ob vor Krieg oder vor Armut – Fliehende, machtpolitische Gewinne zu Ungunsten anderer Nationen oder aber Vorteile in der kapitalistischen Staatenkonkurrenz zielt, ist ein bloßer Übergriff, durch nichts legitimiert als vermeintlich die Meinung einer Mehrheit unter denen, die als Angehörige der Nation nicht das geringste Recht haben, Gewalt gegen jene auszuüben, die der Nation nicht angehören. Das Völkerrecht zielt lediglich darauf, die nationalstaatlichen Übergriffe in möglichst unblutige Bahnen zu lenken. Ähnlich wie schon die Abwehrrechte des Individuums in der bürgerlichen Gesellschaft hebt jenes die Gewalttätigkeit der bestehenden Ordnung nicht auf, sondern legt nur Zeugnis von ihr ab.

Das Legitimitätsproblem, das dem demokratischen Nationalstaat entsteht, sobald er Entscheidungen trifft, die sich nicht ausschließlich auf Angehörige der eigenen Nation auswirken, hat bereits David Held (ebd.) in seinem Aufsatz über das Verhältnis von Demokratie, Nationalstaat und internationalem System thematisiert:

„The limits of a theory of politics that derives its terms of reference exclusively from the nation-state become apparent from a consideration of the scope and efficacy of the principle of ‚majority rule‘. The application of this principle is at the centre of Western democracy: it is at the root of the claim of political decisions to be regarded as worthy or legitimate. Problems arise, however, […] because decisions of a majority affect (or potentially affect) not only [the nation-state’s] own citizens.“ (S. 141-142)

Diese zutreffende Analyse allerdings geht mit einer falschen Einschätzung des Nationalstaats im Spätkapitalismus einher. Held sieht die Dominanz des Nationalstaats ohnehin am Schwinden, primär durch seine in der globalisierten Welt notwendig gewordene (vgl. S. 147) Einbindung in supranationale Organisationen (vgl. S. 152-153). Dass diese Vorstellung eine falsche ist, zeigt besonders anschaulich der aktuelle Umgang der Europäischen Union mit den vor allem syrischen Flüchtlingen. Tatsächlich handelt es sich bei deren Aufnahme und Versorgung um eine Herausforderung, deren Ausmaß eben jener Entwicklung zunehmender “interconnectedness” (S. 145) im globalen System geschuldet ist, die Held beschreibt. Dessen Argumentation folgend wäre nun zu erwarten, dass die Europäische Union auf supranationaler Ebene eine Lösung erarbeitet, welche die Mitgliedsstaaten, den partiellen Verlust ihrer Souveränität um der Zweckrationalität willen akzeptierend, umsetzen. Tatsächlich aber geschieht das Gegenteil: Mehrere Staaten, darunter auch Deutschland, riegeln ihre Grenzen ab, eine europäische Lösung ist zunächst nicht in Sicht und an den Innen- und Außengrenzen der EU wächst das Elend (vgl. Becker 2015). Etwas später dann wird ein offenkundig unzureichender Kompromiss gegen den Widerstand mehrerer Mitgliedsstaaten „durchgedrückt“ (Küstner 2015). Der moderne Nationalstaat tritt supranationalen Institutionen nicht bei, um sich ihnen zu unterwerfen, sondern um in ihnen seine Interessen geltend zu machen, und wird er, und sei es nur scheinbar durch einige Tausend Flüchtlinge, in Frage gestellt, so ist das Ergebnis leider nicht dessen Niedergang, sondern eine Eskalation eben jener Gewalt, die die bestehende Ordnung ohnehin kennzeichnet. Theodor W. Adorno (1967) hat hierzu, obgleich er damals die Beschränktheit des in supranationale Bündnisse eingewobenen Nationalstaats noch optimistischer einschätzte, bereits in den 1960er Jahren treffend bemerkt:

„Es ist nun an die eigentümliche Situation zu erinnern, die herrscht mit Rücksicht auf das Problem des Nationalismus im Zeitalter der großen Machtblöcke. Innerhalb dieser Blöcke lebt nämlich der Nationalismus doch fort als Organ der kollektiven Interessenvertretung innerhalb der in Rede stehenden Großgruppen. Es ist gar kein Zweifel daran, […] es eine sehr verbreitete Angst davor gibt, in diesen Blöcken aufzugehen und dabei auch in der materiellen Existenz schwer beeinträchtigt zu werden. […] Zugleich aber, und damit berühre ich den antagonistischen Charakter, den der neue Nationalismus […] hat, hat [der Nationalismus] angesichts der Gruppierung der Welt heute in diese paar übergroßen Blöcke, in denen die einzelnen Nationen und Staaten eigentlich nur noch eine untergeordnete Rolle spielen, etwas Fiktives, es glaubt eigentlich niemand mehr so ganz daran, die einzelne Nation ist in ihrer Bewegungsfreiheit durch die Integration in die großen Machtblöcke außerordentlich beschränkt. Man sollte nun daraus aber nicht etwa die primitive Folgerung ziehen, dass deswegen der Nationalismus, […] keine entscheidende Rolle mehr spielt, sondern im Gegenteil: Es ist ja sehr oft so, dass Überzeugungen und Ideologien gerade dann, wenn sie eigentlich durch die objektive Situation nicht mehr recht substanziell sind, ihr Dämonisches, ihr wahrhaft Zerstörerisches annehmen.“

Darüber hinaus missversteht Held (ebd.) den Weltmarkt und die Zwänge, die dieser dem Nationalstaat aufbürdet, als Gefahr für dessen Souveränität (vgl. S. 151-152). Tatsächlich kann die globale Ökonomie den Nationalstaat nicht bedrohen, weil sie sein Zweck ist. Seit jeher hat er die Bedingungen der Wertverwertung einerseits erst geschaffen (vgl. Grigat ebd.: S. 243), andrerseits – insbesondere in seiner Rolle als Sozialstaat – aufrechterhalten (vgl. Grigat 2012).

„Der [staatliche] Apparat als solcher, obwohl von Menschen gemacht und von Menschen angetrieben, bildet einen jeden Willen und jede freie Entscheidungsmöglichkeit übersteigende kafkaeske Struktur, da sein Wirken ja von vornherein auf die irrational verselbständigte Ökonomie zugeschnitten ist.“ (Kurz 1999: S. 646 f. zit. n. Grigat 2007: S. 247)

Solches staatliche Wirken kann vor dem Hintergrund der von Held (ebd.) zutreffend beschrieben ökonomischen Entwicklung (vgl. S. 151) nur im Versuch liegen, die Konkurrenz im Kampf der nationalen Wirtschaftsstandorte auszustechen. Das beste Beispiel hierfür liefert die Agenda 2010, über die der damals verantwortliche sozialdemokratische Kanzler Gerhard Schröder (2013) 10 Jahre später zutreffend sagte, dass „die Agenda […] ein Konzept zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit“ gewesen wäre, während es dem Schröders Rede einige einleitende Worte vorausschickenden heutigen Außenminister Frank-Walter Steinmeier vorbehalten blieb, auf die Verdienste der Agenda um die deutsche Nation hinzuweisen:

„Es war die entscheidende Weichenstellung dafür, dass es diesem Land heute wirtschaftlich deutlich besser geht, als allen unseren europäischen Nachbarn.“ (Schröder ebd.)

Kurzum, wenn der Nationalstaat heute im Rahmen einer oftmals als neoliberal geschmähten Politik sich bemüht, den Ansprüchen des seinem Wesen nach nicht an nationale Grenzen gebundenen Kapitals zu genügen, so verliert nicht jener dadurch an Bedeutung, sondern nur das seiner Herrschaft unterliegende bürgerliche Subjekt um der Gnade einer weiteren Beschäftigung willen an Kaufkraft. Was den Nationalstaat selbst angeht, so garantiert er lediglich die Bedingungen der Wertverwertung in Zeiten, in denen eben diese realwirtschaftlich längst an ihre Grenzen gestoßen ist:

„Die Gesellianer stellen also in ihrer Kritik von zinstragendem Kapital und »unproduktiver« Spekulation die Logik des wirklichen Prozesses auf den Kopf und verwechseln die Wirkung mit der Ursache. Während sie behaupten, daß es der Tribut der industriellen Warenproduktion an das zinstragende Kapital und dessen spekulative Wucherung aus sich heraus sei, wodurch die krisenhafte Stockung der realen Produktion verursacht werde, verhält es sich genau umgekehrt: die Stockung der realen Warenproduktion durch ihre eigenen inneren Widersprüche läßt die in der Geldform realisierten Gewinne vergangener Produktionsperioden in den Finanz- und Spekulationssektor strömen. Es ist das industrielle Kapital selbst, das letztlich den spekulativen Prozeß des »fiktiven Kapitals« in Gang setzt.“ (Kurz 1995)

Und es ist der Nationalstaat, der diesen Prozess, wie überhaupt den der allgemeinen und ebenso allgemein beklagten sogenannten Liberalisierung und Flexibilisierung als „ideeller Gesamtkapitalist“ (Grigat 2012) ermöglicht und begleitet. Nicht dieser allerdings leidet darunter, sondern nur das unter seiner Herrschaft lebende bürgerliche Subjekt, das sich oftmals gerade im Elend umso entschiedener zur Nation bekennt (vgl. Grigat 2007: S. 253).

Durch die fehlerhafte Analyse der Stellung des Nationalstaats, in der Helds politische Kritik durch die objektive Entwicklung wie zufällig sich ohnehin erledigt, ist ihm die Bürde genommen, mit der bestehenden Ordnung radikal verfeindet zu sein. Weil er den Nationalstaat nicht nur im Unrecht, sondern auch empirisch bereits am Schwinden sieht, erscheint allzu heftige Kritik an ihm unnötig. Lieber versteigt Held (ebd.) sich zu bürgerlichem Utopismus. Das Weltsystem der Zukunft wird als “neo-mediaeval form of universal political order” (S. 159) beschrieben, in der sich eine demokratische Föderation bilden werde (vgl. 161). In dieser könne es problemlos weiterhin demokratische Herrschaft geben (vgl. 162), ihre Illegitimität würde kurzer Hand durch “referenda of groups cutting across nations and nation-states” (S. 166) aus der Welt geschafft. Der Nationalstaat solle mit der Souveränität seinen Wesenskern verlieren (vgl. S. 159) und doch ungehindert fort existieren (vgl. S. 148), sich bei all dem anscheinend noch widerstandslos – aber keineswegs “harmonious” (S. 167) – in die Föderation einfügen. Es wurde bereits dargelegt, weshalb diese Zukunftsvision, in der frommer Wunsch und falsche Analyse des Visionärs sich die Hand geben, nicht von sich aus, als Folge einer allgemeinen Tendenz, gleichsam kampflos Realität werden wird. Der müßige Versuch hingegen, die inneren Widersprüche und Ungereimtheiten dieses utopischen Entwurfs im Einzelnen offen zu legen, wird an dieser Stelle nicht unternommen, während hingegen der obligatorischen Hinweis auf die Problematik utopischer Darstellungen allgemein (vgl. Grigat ebd.: S. 359-360) natürlich nicht fehlen darf. Viel wichtiger allerdings ist, dass Helds Föderation gezähmter demokratischer Nationalstaaten das von ihm selbst benannte Problem, nämlich dass Mehrheitsentscheidungen im Inneren keinerlei Legitimation für den Umgang mit Menschen außerhalb generieren, nicht löst. Denn diese Föderation hätte genauso Außengrenzen, wie sie schon der Nationalstaat hatte, den jene zaghaft beerbt, und beispielsweise restriktive Maßnahmen gegen Flüchtlinge wären genauso bloße Gewalt gegen die vermeintlich Anderen, die bloß nicht hier Geborenen, wie es heute das europäische Abschottungs- und Grenzregime ist. Im Idealfall verlagerte sich das dem Verhältnis von Nation und Ausland immanente Legitimationsproblem demokratischer Herrschaft auf eine heute noch supranationale Ebene.

Für uns einen Platz an der Sonne? Den nationalen Konsens aufkündigen!

„[D]ie Nation ist immer zugleich Schein und Realität.“ (Grigat ebd.: S. 249) Schein ist jene nach Theodor W. Adorno (1963: S. 167) deshalb, weil sie einen „Zusammenhang von Natur und Gesellschaft“ behauptet, der „irrational“ ist und in dem das Individuum nur „zufällig“ sich befindet. Zur Realität wird die Nation gleichwohl durch das Handeln der von ihrer Echtheit überzeugten bürgerlichen Subjekte: Als gelebte Ideologie wird das falsche Bewusstsein zur falschen Wirklichkeit. Insofern mag der Nationalstaat der Erfüllung der dritten Bedingung für die Legitimität von Mehrheitsentscheidungen weit näher kommen als der der anderen beiden: Gefordert wird ein Commitment aller Mitglieder des entscheidenden Kollektivs zum Zweck der Vereinigung, deren Befugnissen damit zugleich die Grenzen gewiesen sind. Diese verweisen im Fall der Nation wiederum auf auf die falsche Freiheit des bürgerlichen Subjekts, welches frei nur ist, sofern der Zweck der Nation, im internationalen Staatensystem und auf dem Weltmarkt sich zu behaupten, nicht berührt ist.
Damit also im nationalstaatlichen Rahmen legitime Mehrheitsentscheidungen stattfinden könnten, müsste – als notwendige, wenngleich nicht hinreichende Bedingung – gegeben sein, dass sich alle Angehörigen der Nation auf deren eben jenen Zweck positiv beziehen. Dieses ist heute vermutlich nirgends voll, aber überall beinahe gegeben. Zwar genügt bereits eine Person, die den Schwur auf die Nation verweigert, um deren demokratisch bestimmter Politik die, wie bereits gezeigt, ohnehin zweifelhafte Legitimität ein weiteres Mal zu nehmen. Was mir in diesem Staat geschieht, wie auch mein Leben durch meist demokratisch festgelegte, aber nicht legitimierte Regelungen bestimmt wird2, deren Zweck ich nie zugestimmt habe, entspricht in etwa der Situation der in Huemers Gedankenexperiment zum Bezahlen der gesamten Rechnung genötigten Person: Freundlich, aber bestimmt bleibt festzuhalten, dass diese sich so wenig für die finanzielle Unterstützung trinkfester Kommilitoninnen und Kommilitonen zur Verfügung gestellt hat wie ich mich für einen Beitrag zum Erfolg der deutschen Nation.

Soll die Illegitimität demokratischer Herrschaft im nationalstaatlichen Rahmen aber politische Folgen haben, so müssten in der Tat mehr Menschen als eine selbst innerhalb der politischen Linken marginalisierte Minderheit antinationaler und antideutscher Kommunistinnen und Kommunisten eine fundamentale Ablehnung des Nationalstaats formulieren. Davon ist derzeit allerdings nicht das Geringste zu spüren. Grigat (ebd.) konstatiert:

„In der Regel stimmen die Subjekte [ihrer Verpflichtung für das nationale und staatliche Kollektiv] aber auch zu, spätestens dann, wenn die eigene Arbeitskraft nicht mehr als produktiv gilt und man seine Rechte daher wenigstens damit legitimieren möchte, daß man doch – im Gegensatz zu den durch die nationalstaatliche Einteilung der Welt fabrizierten Ausländern – als Zugehöriger der Nation sein Lebensrecht trotz Unproduktivität noch nicht verwirkt hat. Aber auch ohne solche privaten oder gesellschaftlichen Krisensituationen gelten die Nation und ihr Staat als Einrichtung zum Wohle aller, als Garant, je nach Möglichkeit, Kapital zu verwerten oder die eigene Arbeitskraft zu verkaufen.“ (S. 254)

Die Überschrift dieses Abschnitts wurde mit einem Ausrufezeichen versehen, weil die hier vorgetragene Kritik selbst bereits unmittelbar politische Praxis ist. Dem kritischen Verhältnis zur Nation, das heute noch Ausnahme ist, kann durch jene wenigstens zaghaft zu weiterer Verbreitung verholfen werden, und mit jedem Staatsbürger und jeder Staatsbürgerin, der oder die vom falschen Glauben abfällt, büßt nicht nur die durch den Nationalstaat exekutierte demokratische Herrschaft der Übrigen weiter an Legitimität, sondern auch dieser selbst an Substanz ein. Das Ziel materialistischer, der Emanzipation verpflichteter Kritik ist die Nicht-Identifikation der Subjekte mit dem eigenen Staat, weil darin eine Voraussetzung liegt, diesen durch etwas Besseres, Freieres, Menschlicheres zu ersetzen.

In den postnazistischen Ländern kommt freilich noch ein Phänomen hinzu, der sekundäre Antisemitismus (vgl. Gessler 2006): Judenfeindschaft als Vergangenheitsbewältigung. Ewig reden sich die Deutschen3 das Offensichtliche ein, das sie selbst nicht glauben können, weil sich sonst unaufhaltsam die Wahrheit ins Bewusstsein schöbe, dass es mit ihrer mystischen Verbindung zu Johann Wolfgang von Goethe und Manuel Neuer ebenfalls nicht allzu weit her ist, ewig wird die von niemandem vorgebrachte Anklage aufgebracht zurückgewiesen, dargelegt, weshalb einen oder eine selbst an der Shoa keine persönliche Schuld treffe. Als Ankläger wird der Staat ausgemacht, der durch seine bloße Existenz als sichtbares Zeugnis deutscher Vernichtungspolitik das lächerliche Holocaust-Mahnmal (vgl. Jäckel 2010) überflüssig macht. Das schlechte Gewissen, dass die Deutschen grundlos, aber notwendig haben, wird besänftigt durch die ebenso allgegenwärtige wie antisemitische Anklage der Israelis als die neuen Nazis (vgl. Augstein 2012). Nicht-Identifikation mit Deutschland birgt neben der Perspektive auf die befreite Gesellschaft zusätzlich die Hoffnung auf ein Gedenken an die Shoa, das nicht verstockt, aus einer Pflicht heraus, widerwillig und betroffen zugleich noch den Judenmord der eigenen Nation, die ihn begangen hat, als Nützliches zuführt, sondern das mit Wut und Trauer den Zivilisationsbruch zur Kenntnis nimmt und seiner ohne Rücksicht auf deutsche Befindlichkeiten erinnert. Die Subjekte, die heute den jüdischen Staat hassen, weil er ihre Loyalität zum eigenen erschüttert, legten mit dieser zugleich auch den Antisemitismus „nicht trotz, sondern wegen Auschwitz“ (Gessler ebd.) ab.

Emanzipation als universeller Maßstab

Ausführlich wurde bisher begründet, warum die Politik der heute real existierenden Nationalstaaten demokratisch nicht legitimiert werden kann, weder innerhalb die Herrschaft über das zwangsweise der Nation zugehörige Individuum, noch außerhalb die über das ebenso zwangsweise von ihr ausgeschlossene. Sollen aber nun die offensichtlichen Unterschiede in nationalstaatlichem Handeln nicht in einer allgemein gehaltenen Kritik untergehen, der die Außenpolitik des dritten Reichs wie die seiner alliierten Gegner gleichermaßen als illegitim gilt, so muss ein anderes Kriterium als die Meinung der Mehrheit unter den Angehörigen der Nation hinzugezogen werden. Als solcher universeller Maßstab dient die Emanzipation. Alles nationalstaatliche Handeln beruht auf bloßer Herrschaft, sei sie demokratisch oder nicht, aber es macht einen Unterschied, ob diese Herrschaft den Flüchtling, die Bevölkerung des Nachbarlands, die faschistische Bewegung, das islamische Kalifat oder den mittelöstlichen Diktator niederzuwalzen versucht oder nicht, ob also und vor allem gegen wen die der Herrschaft stets als Drohung innewohnende Gewalt tatsächlich Anwendung findet. Legitim sind nur jene nationalstaatlichen Handlungen, politische Handlungen überhaupt, die der Freiheit des Individuums, seiner Perspektive auf ein selbstbestimmtes Leben und seiner Ermächtigung zu kritischem Denken förderlich sind. Der bürgerliche Staat mag also den Flüchtling versorgen, aber nicht abschieben, die Diktatur mag er mit Sanktionen belegen, aber nicht mit Waffen beliefern, er mag gegen den Islamischen Staat zum Luftangriff schreiten, aber nicht zugleich Erdogans Krieg gegen die PKK billigen (vgl. Sina 2015), und gerne kann der deutsche Staat die NPD verbieten, aber er möge doch künftig davon absehen, Neonazi-Strukturen durch
V-Männer finanziell erst zu ermöglichen (vgl. Fromm/Theveßen 2013). Die obsessive Selbstbeweihräucherung, zu der alle Nationalstaaten und besonders die demokratischen unter ihnen neigen, sobald sie einmal das zweifelsohne Richtige tun, verweist hingegen auf ihren ambivalenten Charakter. Indem die Nation sich für das Gute überschwänglich lobt, stellt sie es bereits als die Ausnahme dar, die es im schlechten Bestehenden tatsächlich ist. Unmissverständlich ist die Drohung: Wir können auch anders.4 Im nationalen Eigenlob unserer Zeit drückt sich bereits aus, was Adorno und Horkheimer (ebd.) im Verhalten ihrer politischen Feinde erkannt zu haben glaubten:

„Voraussetzung der Tier-, Natur- und Kinderfrommheit des Faschisten ist der Wille zur Verfolgung. Das lässige Streicheln über Kinderhaar und Tierfell heißt: die Hand hier kann vernichten. Sie tätschelt zärtlich das eine Opfer, bevor sie das andere niederschlägt, und ihre Wahl hat mit der eigenen Schuld des Opfers nichts zu tun. Die Liebkosung illustriert, daß alle vor der Macht dasselbe sind, daß sie kein eigenes Wesen haben. Dem blutigen Zweck der Herrschaft ist die Kreatur nur Material.“ (S. 269-270)

Gegen solche Hybris ist einzuwenden, dass es sich genau anders herum verhält: Nicht der Verzicht, partielle Emanzipation zu beschädigen, ist nationale Großtat, sondern die Beschädigung partieller Emanzipation ist nationale Untat. Eine Untat, die durch nichts gerechtfertigt ist als das Recht der sich selbst ins Recht setzenden Nation und vollstreckt wird durch staatlich institutionalisierte Gewalt.
John Rawls (1997) wäre die hier vertretene Position, die eine persönliche Überzeugung zum allgemeinen Maßstab für die Legitimität politischer Handlungen erhebt, wohl gefährlich, oder gar, schlimmer noch, “not […] reasonable” (S. 105) erschienen. Lediglich “presently accepted general beliefs” (S. 102) und “conclusions of science when these are not controversial” (S. 102) dürften in sensiblen Fragen des Politischen herangezogen werden. Zusammen bildeten beide – unstrittige politische Werte und unstrittige wissenschaftliche Erkenntnisse – eine “Public Reason” (S. 93), deren Grenzen zu respektieren seien (vgl. S. 96). Für “doctrines“ (S. 116) hingegen sei kein Platz in der öffentlichen Auseinandersetzung um die zentralen politischen Fragen, sofern sich jene nicht konstruktiv der Public Reason unterordneten, sich gleichsam von ihr vereinnahmen ließen (vgl. S. 119). Dem zu Grunde liegt eine Mystifizierung der Nation. Für die “political relationship among democratic citizens” (S. 96) sind nach Rawls “two special features” (S. 96) kennzeichnend:

“First, it is a relationship of persons within the basic structure of the society into which they are born and in which they normally lead a complete life. Second, in a democracy political power, which is always coercive power, is the power of the public, that is, of free an equal citizens as a collective body.” (S. 96)

Ausgehend von einer Vorstellung des Nationalstaats, die diesen in der Tat „als eine Art nicht hinterfragbares Naturereignis“ (Grigat ebd.: S. 248) auffasst, als ließe er sich unmittelbar aus den Geburtsorten der ihm zwangsweise Angehörenden ableiten5, geht die Verteidigung demokratischer Herrschaft erwartungsgemäß leicht – um nicht zu sagen: leichtfertig – von der Hand. Auf die Spitze getrieben aber wird der Fetisch um die Nation, wenn ihre Charakterisierung als Zwangskollektiv wenigstens ansatzweise vorweg genommen wird – allerdings nicht in kritischer, sondern in affirmativer Absicht (vgl. S. 100-101). Spätestens damit hat sich die Nation zum unantastbaren Fakt gemausert. Von ihrer Mystifizierung kommt Rawls zu seinem Bild von Gesellschaft, deren Mitglieder, politisch verfeindet und durch die Nation untrennbar verbunden zugleich, irgendwie friedlich ins Ganze zu integrieren seien. Rawls Theorie zielt auf Versöhnung, wo es keine geben kann, realisiert durch die Liquidierung des Politischen, deren Ausdruck sich im autoritär anmutenden Konzept der Public Reason findet. Diese, wohl als kollektive Vernunft zu übersetzen, ist tatsächlich kollektive Unvernunft. Die Public Reason einer “political society” (S. 93), die sich als Nation versteht und entsprechend handelt, kann sich nur instrumentell auf deren irrationalen Zweck richten. Ausgegrenzt wird, was weder der Verwertung des Werts noch dem Machtgewinn im internationalen System dienlich ist, und so kann sich die emanzipatorische Forderung weniger noch vor dem Stigma des Unvernünftigen retten als der religiöse Wahn oder die faschistische Mordbrennerei. Politischer Ausdruck dieser Ausgrenzung ist die Extremismustheorie, die selbst zur Barbarei tendiert (vgl. Bayer 2015).

Fazit

In dieser Arbeit wurde der Versuch unternommen, die Legitimität von Demokratie im Rahmen eines Nationalstaats, von Herrschaft durch einen Souverän also, der durch die Mehrheit der Staatsbürgerinnen und Staatsbürger bestätigt ist, grundsätzlich zu bestreiten. Die dieser demokratisch nur vermeintlich legitimierten Herrschaft entsprungene und entspringende Gewalt – gleich, ob gegen Angehörige der Nation oder gegen jene gerichtet, die dieser als Ausländer gelten – basiert, so die Behauptung, auf nichts weiter als dem praktisch angewendeten Recht des Stärken. Um dieses zeigen zu können, wurden aus dem Maßstab, den der bürgerliche Nationalstaat in seinem Inneren an demokratische Entscheidungen anlegt, Bedingungen abgeleitet, die Mehrheitsentscheide allgemein erfüllen müssen, um als legitim gelten zu können. Zugleich werden, wenn der Mehrheitsentscheid in diesem normativen Sinn legitim ist, weder Gewalt noch Herrschaft benötigt, um jenem Geltung zu verschaffen. Die drei Bedingungen lauten: Die entscheidende Grundgesamtheit muss ein Verein freier Menschen sein, alle von der Entscheidung Betroffenen müssen Teil der entscheidenden Grundgesamtheit sein, und die entscheidende Grundgesamtheit muss ein Commitment zum Zweck jenes Vereins teilen, womit zugleich auch klar ist, dass dieser jenseits seines Zwecks keine Entscheidungsbefugnisse hat. Wie gezeigt, erfüllt Demokratie, die im nationalstaatlichen Rahmen stattfindet, keine einzige dieser Bedingungen. Folgerichtig muss der bürgerliche Staat das Gewaltmonopol beanspruchen. Wie er aber von diesem, von seinem bloßen Recht des Stärkeren, Gebrauch macht, kann kommunistischer Kritik keineswegs gleichgültig sein. Während sie vom bürgerlichen Staat kein anderes Verhalten erwartet als jenes, das der Kapitalverwertung und dem Machtgewinn im internationalen System am förderlichsten ist, legt kommunistische Kritik mit der Emanzipation einen eigenen Maßstab an, der unabhängig ist sowohl vom irrationalen Zweck der Nation als auch dem politischen Standpunkt ihrer Angehörigen. Heute gilt es einerseits, den bürgerlich-demokratischen Nationalstaat entgegen seiner für Mensch und Umwelt zerstörerischen Bestimmung zu einem Verhalten zu nötigen, das der Freiheit des Individuums, seiner Perspektive auf ein selbstbestimmtes Leben und seiner Fähigkeit zu kritischem Denken keineswegs nur in den eigenen Grenzen noch die günstigsten Aussichten verschafft, andererseits durch Ideologiekritik die Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass eben diesem bürgerlich-demokratischen Nationalstaat – wie jedem anderen – eines Tages das Ende bereitet werde.

Quellenverzeichnis:

Adorno, T. W. (1963). Eingriffe: neun kritische Modelle. Auflage 6. Frankfurt am Main: Suhrkamp.

Adorno, T. W. (1967). Aspekte des neuen Rechtsradikalismus. Abgerufen am 26.9.2015 vom Youtubekanal der Nokturnal Times: https://www.youtube.com/watch?v=4DAxCp_sog8

Adorno, T. W. & Horkheimer, M. (2013). Dialektik der Aufklärung. Philosophische Fragmente. Auflage 21. Frankfurt am Main: Fischer.

Augstein, J. (2012). Gesetz der Rache. Abgerufen von Spiegel Online am 27.9.2015: http://www.spiegel.de/politik/ausland/jakob-augstein-ueber-israels-gaza-offensive-gesetz-der-rache-a-868015.html

Bayer, J. (2015). Zum antitotalitären Protofaschismus der deutschen Mitte. Abgerufen vom Blog Emanzipation & Frieden am 9.10.2015:
http://emafrie.de/zum-antitotalitaeren-protofaschismus-der-deutschen-mitte/

Becker, M. (2015). Entscheidung der EU-Innenminister zu Flüchtlingen: Scheitern, getarnt als Kompromiss. Abgerufen von Spiegel Online am 25.9.2015: http://www.spiegel.de/politik/ausland/fluechtlinge-eu-innenminister-verschieben-beschluss-ueber-quote-a-1052919.html

Böhret, C. & Jann, W. & Kronenwett, E. (1988). Innenpolitik und politische Theorie. Ein Studienbuch. Opladen: Westdeutscher Verlag.

Freyberg-Inan, A. & Harrison, E. & James, P. (2009). Rethinking Realism in International Relations. Between Tradition and Innovation. Baltimore: Johns Hopkins.

From, R. & Theveßen, E. (2013). Brandstifter im Staatsauftrag. V-Leute und der rechte Terror. Abgerufen am 28.9.2015: https://www.youtube.com/watch?v=Ud6ez57RvUg

Gessler, P. (2006). Sekundärer Antisemitismus. Argumentationsmuster im rechtsextremistischen Antisemitismus. Abgerufen von der Webseite der Bundeszentrale für politische Bildung am 27.9.2015:
http://www.bpb.de/politik/extremismus/antisemitismus/37962/sekundaerer-antisemitimus?p=all

Grigat, S. (2007). Fetisch und Freiheit. Über die Rezeption der Marxschen Fetischkritik, die Emanzipation von Staat und Kapital und die Kritik des Antisemitismus. Freiburg: ça ira.

Grigat, S. (2012). Luxus für alle. Eine Kritik des Arbeitsfetischs. Abgerufen von freie-radios.net am 26.9.2015: http://www.freie-radios.net/47745

Habermas, J. (1996). Die Einbeziehung des Anderen. Studien zur politischen Theorie. Frankfurt am Main: Suhrkamp.

Held, D. (1991). Democracy, the nation-state and the global system. Economy and Society, S. 138-172. DOI: 10.1080/03085149100000007

Huemer, M. (2013). The Problem of Political Authority. An Examination of the Right to Coerce an the Duty to Obey. Oxford: Palgrave Macmillan.

Jäckel, E. (2010). Ausschnitt aus der Rede zur fünfjährigen Einweihung des Holocaust-Mahnmals. Abgerufen am 27.9.2015: https://www.youtube.com/watch?v=POMiLSd3UbU&t=5m17s

Kurz, R. (1995). Politische Ökonomie des Antisemitismus. Die Verkleinbürgerung der Postmoderne und die Wiederkehr der Geldutopie von Silvio Gesell. Erschienen in: Krisis – Beiträge zur Kritik der Warengesellschaft, 16-17, 177-218. Abgerufen von der Exit-Website am 12.3.2015:
http://exit-online.org/textanz1.php?tabelle=autoren&index=18&posnr=18&backtext1=text1.php

Kurz, R. (1999). Schwarzbuch Kapitalismus. Ein Abgesang auf die Marktwirtschaft. Frankfurt am Main: Eichborn.

Küstner, K. (2015). Auf die harte Tour. Abgerufen von tagesschau.de am 25.9.2015: http://www.tagesschau.de/ausland/eu-innenminister-111.html

Marcuse, H. (1965). Repressive Toleranz. Abgerufen am 25.9.2015: http://www.marcuse.org/herbert/pubs/60spubs/65reprtoleranzdt.htm

Marx, K. (2013). Das Kapital. Kritik der politischen Ökonomie. Band 1. Auflage 40. Berlin: Dietz.

Rawls, J. (1997). The Idea of Public Reason. Erschienen in: Bohman, J. & Rehg, W. (Hrsg.): Deliberative Democracy. Essays on Reason and Politics. Cambridge: MIT Press.

Schröder, G. (2013). Rückblick auf die Agenda 2010. Abgerufen vom Phönix-Youtubekanal am 27.9.2015: https://www.youtube.com/watch?v=krMi5hpCjRk

Seiffert, J. (2014). Stimmung gegen Israel kippt. Abgerufen von dw.com am 28.9.2015: http://www.dw.com/de/stimmung-gegen-israel-kippt/a-17799563

Sina, R. (2015). NATO gibt Türkei Rückendeckung. Abgerufen von tagesschau.de am 28.9.2015: http://www.tagesschau.de/ausland/nato-tuerkei-107.html

»…ums Ganze!«. (2009). Staat, Weltmarkt und die Herrschaft der falschen Freiheit. Zur Kritik des kapitalistischen Normalvollzugs. Abgerufen am 25.9.2015: http://umsganze.org/media/Staatstext_web.pdf

von der Osten-Sacken, T. (2015). #Refugees Welcome. Abgerufen von jungle-world.com am 28.9.2015: http://jungle-world.com/jungleblog/?m=201508

Waldron, J. (2006). The Core of the Case against Judicial Review. The Yale Law Journal Vol. 115 N. 6, S. 1346-1406. Abgerufen am 5.6.2015: http://www.jstor.org/stable/20455656

 

 

Audio: Geschlechterrollen im modernen Rechtsextremismus

$
0
0

Vortrag von Esther Lehnert

gehalten am 21. November 2015 in Stuttgart                                                                     im Rahmen der Tagung „Schon lange nicht mehr marginal … Was tut sich rechts von der CDU?“  des verdi-Bezirks Stuttgart (Veröffentlicht von Emanzipation und Frieden mit freundlicher Genehmigung der Referentin)

 

Geschlechterrollen spielen nach wie vor eine entscheidende Rolle im modernen Rechtsextremismus. Antifeministische Kampagnen – gegen den „Genderismus“ oder gegen Gendermainstreaming – sowie das Wüten gegenüber sexueller Vielfalt und gleichgeschlechtlichen Lebensformen zeigen, dass nach wie vor die Konstruktionen „richtiger Kerle“ und „wahrer Frauen“ unablässlich für das  Innere der rechtsextremen „Volksgemeinschaft“ sind.

Prof. Dr. phil. Esther Lehnert ist Erziehungswissenschaftlerin an der Alice Salomon Hochschule Berlin

ReferentInnen und Ablauf der Tagung:

NSU, rechtsextreme Hooligans, NPD, Reichsbürger-Ideologen, AfD … Rechtsextreme Einstellungen nehmen zu. Auch jeder fünfte der organisierten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ist für rechte Parolen anfällig. Bei der Tagung wollen wir uns mit einigen aktuellen Aspekten des Rechtsextremismus und Rechtspopulismus auseinander setzen.

11:00 Uhr Begrüßung: Cuno Hägele, Geschäftsführer ver.di-Bezirk Stuttgart

11:15 Uhr Vortrag: Lothar Galow-Bergemann, war langjähriger freigestellter Personalrat im Klinikum Stuttgart – Wie die Nazis den Kapitalismus erklär (t) en und warum sie damit erneut in der Mitte der Gesellschaft landen könnten.

Schon einmal gelangten Nationalsozialisten vor dem Hintergrund einer anhaltenden Wirtschaftskrise an die Macht. Sie gewannen Masseneinfluss, weil sie an einem weit verbreiteten vordergründigen und personalisierenden Antikapitalismus in der Bevölkerung anknüpfen konnten. Diese problematischen Denkmuster sind auch heute wieder in der ganzen Gesellschaft verbreitet.

12:00 Uhr Pause

12:15 Uhr Vortrag: Dr. phil. Esther Lehnert, Erziehungswissenschaftlerin – Geschlechterrollen im modernen Rechtsextremismus.

Geschlechterrollen spielen nach wie vor eine entscheidende Rolle im modernen Rechtsextremismus. Antifeministische Kampagnen – gegen den „Genderismus“ oder gegen Gendermainstreaming – sowie das Wüten gegenüber sexueller Vielfalt und gleichgeschlechtlichen Lebensformen zeigen, dass nach wie vor die Konstruktionen „richtiger Kerle“ und „wahrer Frauen“ unablässlich für das  Innere der rechtsextremen „Volksgemeinschaft“ sind.

13:00 Uhr Mittagessen

13:45 Uhr Vortrag: Alexander Geisler, Mitherausgeber „Strategien der extremen Rechten“ – Zugpferd Rechtspopulismus? Strategische Optionen der AfD auf dem Weg in die gesellschaftliche Mitte.

Die Erfolge der AfD bei den Wahlen zum Europäischen Parlament und den Landtagen von Sachsen, Brandenburg und Thüringen 2014 werfen viele Fragen auf: Kann sich mit der Partei zum ersten Mal eine politische Kraft rechts der Union im deutschen Parteienspektrum etablieren? Um dies zu beantworten, muss insbesondere die Rolle rechtspopulistischer Strömungen innerhalb der AfD in den Blick genommen und das gesellschaftliche Potential der damit verbundenen Strategie ausgelotet werden. Beleuchtet werden auch die die marktradikalen Facetten der Partei, die prägend für ihre Positionierung gegenüber den Gewerkschaften und der sozialen Frage sind.

14:30 Uhr Pause

14:45 Uhr Argumentationstraining: Janka Kluge, VVN-BdA, und Alexander Schell, Stadtjugendring – Gegen rechte Stammtischparolen. Was tun, wenn wir mit diskriminierenden und rassistischen Äußerungen aus dem Kreis von Kolleginnen und Kollegen konfrontiert sind? Bei dem Workshop soll überlegt und trainiert werden, wie auf solche Äußerungen reagiert werden kann.

16:45 Uhr Ende

 

Viewing all 207 articles
Browse latest View live




Latest Images